Besuch in Christchurch, der Erdbebenstadt

TeApiti
Peter Heer / Gisela Roll
Fri 9 Mar 2012 02:22

 

Blog 09.03.2012 Besuch in Christchurch

Montag Wir fliegen nach Christchurch zu David und Ireen, nachdem wir am Abend vorher festgestellt haben, dass wir uns in der Uhrzeit getäuscht haben: nicht 8.45 a.m. sondern p.m. gleich 20.45. Shit! Umbuchen. Die Uhrzeiten gehen überall höllisch durcheinander.

Der Flug ist anderthalb Stunden lang und ohne Komplikationen. David holt uns ab. Wir fahren zu ihrem Haus. Sie leben zur Zeit in einem Apartement auf der Doppelgarage, das sie mal für ihren Sohn ausgebaut haben. Ein „godsent“ wie sie es nennen. Ihr Haus ist unbewohnbar und wird abgerissen. Auf den ersten Blick ist für uns gar nichts zu erkennen, ein nettes zweistöckiges Holzhaus, eigentlich ein Doppelhaus mit Pfannen auf dem Dach. Und dann schauen wir genauer hin: Risse überall, ein klaffender Spalt dort und dort. Der Rahmen einer grossen Scheibe ist verbogen. Das Haus ist statisch nicht mehr stabil und es droht die Gefahr, dass die schweren Dachpfannen herunterfallen oder das Dach überhaupt einbricht. Die beiden sind beim Packen. Sie werden nach Tauranga umziehen. Ist jemand im Haus, so bleibt auf jeden Fall die Tür offen, um notfalls herauslaufen zu können und durch neuerliche Erdstösse nicht gefangen zu werden.

Ireen bereitet ein lunch-Sandwich für uns und dann fahren wir mit tausend bags nach „Taylors Mistake“, ein jetzt zu Christchurch eingemeindeter Beach mit hübschen Wochenendhäusern „Baches“, wie man hier sagt, am Hügel. Auf dem Weg in die Stadt sehen wir schreckliche Dinge: am Steilufer hängen Häuser in der Luft, eine Doppelreihe Container soll weiteren Steinschlag abwähren. Irgendwelche Holzzäune laufen auf einmal 10cm höher weiter, eine Brücke über den Avon ist an einer Seite 20cm verschoben, Mauern sind teilweise eingestürzt, überall wird gebaut, es gibt grosse Umleitungen überall, die Küstenstrasse ist uneben als wenn man über eine sumpfige Wiese fährt.

In „TM“, keiner weiss, woher der Name stammt, müssen wir alle unsere Taschen einen sehr steilen längeren Weg hinauftragen. Wir wohnen in einem pavilion, noch etwas weiter oben, auch gebaut für die Söhne, es liegt wie ein Krähennest mit Blick auf die See und den Surf.

50 oder mehr Surfboarder sind im Wasser. Sonnenaufgang und Untergang sind phantastisch von hier aus zu beobachten.

Ireen brät uns zum Nachtessen leckeren Fisch mit diversem Gemüse, Salat und Pavlowa mit Obst und Sahne. Die Erzählungen über ihre traumatischen Erlebnisse gehen bis in die Nacht. Der hoch gemauerte Schornstein des Hauses ist in einem der unzähligen Erdstösse auch aufgerissen und drohte auf das Dach zu fallen und musste vorsichtig heruntergeholt werden. Auch hier ist Geschirr aus den Schränken gefallen, sind Spiegel und Porzellan zerstört worden.

Dienstag Die Sonne kommt heraus und wir machen einen Tagesausflug nach Akaroa and Banks Peninsula , das ist etwa 80 km SE entfernt von Christchurch und die liebliche Strasse führt entlang eines Kraterrandes. Das Städtchen selber ist eine ursprünglich rein französische Siedlung. Die Engländer bekamen Angst wegen der Folgen und haben sehr schnell reagiert und selber Anspruch auf die Gegend erhoben. Eventuell hätte sonst die Geschichte Neuseelands umgeschrieben werden müssen. Es ist ein beliebter Touristenort, in dem die Namen einiger Strassen, Restaurants und Hotels noch französisch sind. Es leben noch Nachkommen von den ursprünglich 83 Franzosen hier. Ein paar Kilometer weiter, nur Einheimischen bekannt und ohne jeden Trubel, ist eine ganz kleine Maori – Kapelle mit geschnitzten Holzeingang und Blick aufs Wasser. Die Sonne scheint, es ist ganz ruhig bis auf Vogelgezwitscher . Zum Seele baumeln lassen.

Zum Dinner sind wir zurück in CHCH. Ireen serviert das zweite NZ-Nationalgericht: Lamm mit verschiedenem Gemüse.

Mittwoch Wir räumen auf und während Peter David und Ireen ein paar Bilder von TeApiti zeigt, gehe ich an den Strand und will doch wenigstens mal meine Füsse baden. Wie immer reizen mich Muscheln und es passiert, was passieren muss: eine Welle überflutet meine Schuhe, die ich gerade mal aus der Hand gelegt habe, um ein Stück Paua (fluoriszierende Abalone-Muschel, deren Schalen zu Schmuck verarbeitet werden) aufzulesen.

Nach dem lunch räumen wir wieder zusammen, fahren nach CHCH zurück. Wir werden  diese Nacht in dem Apartement schlafen, während die beiden abends zurück nach „Taylors Mistake“ fahren, um das Haus dort „urlaubsfest“ zu machen. Sie gehen am Wochenende für drei Wochen zu ihrem Sohn nach Sydney.

Wir fahren in die City , parken und gehen zu Fuss so weit wie man kann, bis ein Bauzaun uns stoppt. Der gesamte innere Bereich ist abgesperrt, kein Mensch darf da mehr leben. Es ist eine „red zone“, alles wird abgetragen und es darf dort nicht mehr gebaut werden. Auch das Wahrzeichen der Stadt, eine katholische Kathedrale, ist nicht mehr zu retten. Überall Kräne und Bauarbeiter. Viele leere Brachflächen. Dort hat jeweils ein Gebäude gestanden. Es sieht aus wie nach einem Bombenangriff. Und selbst neue Gebäude, denen man nicht unbedingt etwas ansieht, bei ihnen stimmt die Statik nicht mehr und sie müssen abgerissen werden. Es wird Christchurch in der alten Form nicht mehr geben.

 Die Grundstücke sind in red , yello and green eingeteilt, je nach Zustand. Bei rot durften die Bewohner nicht mehr in ihre Häuser und haben wirklich alles verloren. Die Probleme, die auftraten, können wir uns gar nicht vorstellen: die Autos, die in irgendwelchen Parkhäusern standen, die Geschäftscomputer, die versunkenen Strassen und Aufbrüche. Am Rande der roten Zone, in der ehemaligen langen Fussgängerzone, haben jetzt einige Geschäfte wieder geöffnet in Containern. Aber es gibt keine Laufkundschaft, wie sollen sie das durchstehen. Viele Betriebe haben sich in die Aussenbezirke verzogen, um dort auch nicht sicher zu sein!

Es hat unendlich viele Erdstösse gegeben in den letzten Jahren und das begonnene Zerstörungswerk wurde durch weitere Erdbeben vollendet. Das längste Beben dauerte 40 Sekunden, das Epizentrum dicht bei und nicht sehr tief. Die Menschen sind traumatisiert. Ein Beben war am 23. Dezember, kurz vor Weihnachten. Die Bewohner der Stadt waren bei den letzten Weihnachtseinkäufen. Und Angst und Chaos und Lärm zusätzlich durch Sirenen und Hubschrauber.

Schreckliche Erlebnisse. Den beiden fällt es unglaublich schwer, ihre Stadt und ihr Wochenendhaus aufzugeben, aber es dauert einfach zu lange. Auch ihr Haus würde frühestens in drei bis fünf Jahren wieder aufgebaut sein. So lange wollen und können sie nicht warten, sie sind etwas älter als wir. Und David und Ireen haben noch Glück im Unglück gehabt, sie sind retired und können im Apartement über ihrer Garage ( der ist nichts passiert) leben. Schweren Herzens haben sie sich entschlossen umzuziehen. Wer will ihnen das verübeln.

     Zum Dinner gehen wir aus, es gibt ua. Bluff-Oysters, die Saison hat gerade begonnen und sie haben den Ruf, die allerbesten zu sein. Die drei sind begeistert. Ich probiere mal einen NZ-Riesling und bin von dem begeistert. Ein nettes Lokal mit leckerem Essen und super freundlicher Bedienung.

Donnerstag Mit Taxi zum Flieger, Heimflug. Stopp im Honey Center von NZ ( hier dichtbei).

Wir brauchen ein Präsent für unsere nächsten Gastgeber. Ein ganz spezieller Honig aus NZ hat antibakterielle Wirkung, auch wenn man ihn erhitzt. Ein Mann aus Georgien kauft gleich drei Kilo „for my mama, she ordered it“.

 Regen. Sieht alles etwas trostlos aus. An Bord ist im Salon viel von der Innenverkleidung herunter genommen und die Betten sind auch wieder umgeschichtet…Never ending story. Aber viele kleine Dinge sind gemacht.

Wir blättern in einem Buch über die diversen Erdbeben und surfen nochmals im internet. Die Eindrücke und das was wir erlebt und gehört haben, gehen tief und klingen noch lange nach.

Freitag Die Leute von unserer Fleet-Broadbend -Antenne sind an Bord, es wird heftig gearbeitet, auch am bowthruster, am Baum und überhaupt. Da kommt Freude auf!

Dann können wir ja beruhigt morgen früh nach N nach Kerikeri fahren. Auf dem Weg soll das beste Maori-Museum sein und ganz im Norden ist das Cape Reinga mit einem Leuchtturm.

 

 

    

 

                                                                                                                       Das Haus und das Apartement auf der Garage

 

                                       

Schäden, wenn man genauer hinschaut

 

 

Akaroa

 

The french village

 

 the Maori-place

     

„Taylors Mistake“ und unser Krähennest

 

                 

             

Christchurch und der Versuch nach einem Jahr wieder Normalität zu schaffen