Begegnungen in Havanna und Fahrt in den gruenen Westen - ein Reisebericht (deu)

Andromeda
Michael
Sat 23 Apr 2011 23:04
23:08.0238N 82:21.5678W
La Habana - Las Terrazas - Pinar del Rio - Vinales - La Habana - Batabano - Isla Juventud
10.-20. April 2011

Wir hatten eine wunderschoene Zeit in Havanna und in der Region Pinar del Rio im Westen davon. Die ersten fuenf Naechte haben wir in Privatwohnungen ('ne Art Bed & Breakfast, hier "Casa Particular" genannt) verbracht. Die vier Naechte waehrend unserer Rundreise waren wir dann in zwei wirklich schoenen Hotels und konnten uns von dem chaotischen Trubel in der Hauptstadt erholen. Mittwoch (20.4.) sind wir zurueck zur Insel (Isla de la Juventud) gefahren. Da alle Flugtickets wegen Ferienwoche und Ostern angeblich komplett ausgebucht waren (das hatten sie uns auf dem Hinflug auch erzaehlt, da haben wir dann aber ueber Umwege doch noch 2 Tickets bekommen, und im Flieger waren sogar noch 8 Plaetze frei!), mussten wir mit der Faehre fahren. Mit dem nationalen Ueberlandbus ging's am von Havanna gen Sueden zum Hafen Batabano, von dort dann mit der Faehre nach Nueva Gerona auf der Inseln, und von dort dann noch mal mit dem Taxi 40km i.d. Sueden zur Marina. Und mit dieser Reise haben wir den gesamten Tag verbracht, weil hier alles doppelt und dreifach gecheckt und registriert wird. Die Faehre hat Sicherheitsvorkehrungen wie ein internationaler Flughafen. Die haben richtig Schiss das noch mehr Leute abhauen. Und ganz zu Recht. Viele mit denen wir geredet haben moechten gerne raus, manche nur zum Reisen, viele wohl aber auch Auswandern, besonders die Jungen.
Ich kann's mir gar nicht vorstellen, so eingepfercht zu sein. So schoen Kuba ist, die Landschaft, die Leute, das Wetter - aber hier ist es noch schlimmer als in der DDR, wo man wenigstens nach Polen oder Ungarn oder eins der anderen Laender reisen konnte.

Die Kubaner sind meist jedoch sehr nett und entspannt. Nur in den Touristenzentren wird man von unzaehligen Leuten quasi ununterbrochen angesprochen: Taxi? Fahrradrikscha? Casa Particular? Zigarren? Paladar (so heissen hier die privaten und famililaeren Restaurants)? CD's mit Salsa? und, und, und....
Man kann's keinem wirklich uebel nehmen wenn man bedenkt, wie wenig die Leute verdienen und wie schnell man etwas Taschengeld mit Touristen verdienen kann. Ein wenig aggressiv macht's dann aber doch manchmal.
Die Touristen muessen fast alles (ausser Obst & Gemuese a.d. Wochenmarkt und Essen in einigen staatlichen Restaurants) mit dem Peso Convertible, auch "CUC"genannt zahlen. Die nationale Waehrung ist der Peso Moneda Nacional.

1 EUR = 1,4 CUC. 1 USD = 0,85 CUC (Dollarwechseln kostet 10% "Strafe" extra)
1 CUC = 25 Peso Moneda Nacional (MN)

Schwierig ist's fuer uns Touristen zu wissen wann man mit welcher Waehrung zahlen kann, da beide Peso genannt und mit $ abgekuerzt werden.
Auch traegt dieses System von zwei Waehrungen zur Verwirrung bei der Verhaeltnismaessigkeit bei:

Ein Arzt bekommt monatl. 17-25 CUC (umgerechnet)
Eine Uebernachtung in einer Casa Particular kostet 25-35 CUC.
Eine CD kostet 1-1,5 CUC,
eine Taxifahrt innerhalb Havannas 2-10 CUC, die 40km a.d. Insel 20 CUC
5 Paprika, 10 Zwiebeln, 5 Knoblauch, 6 Bananen und 15 Tomaten kosten etwa $40 (Peso MN)
Strom in einer normalen einfachen Wohnung kostet monatlich $0,20 (MN)
Benzin (fuer alle) 1,30 CUC/Liter! (ich dachte, den bekommen die so guenstig von Chavez....)

Die ersten 2 Naechte verbrachten wir bei einem Ehepaar in der Naehe der internationalen Klinik, in einem Villenviertel, wo auch alle Botschaften vertreten sind.
Die erstklassigen ausgebildeten kubanischen Aerzte bieten Venezolanern, Chinesen, Nordkoreanern und div. Afrikanern u.a. gute medizinische Dienste zu fuer uns guenstigen Preisen und oft im Gegenzug zu guenstigem Erdoel etc. an.
Der HNO-Spezialist konnte Michaels Loch ihm Ohr gut versorgen und wir haben grosse Hoffnung, das das restliche Loch nun komplett verheilt - und hoffentlich schnell....

Die Vermietung der Gaestraeume laeuft auf den Namen der Ehefrau. Er war ein Cornel in der Armee und ist nun im Ruhestand. Hat fuer Kuba in Angola, im Iran und Somalia gekaempft. Eine ihrer Toechter lebt in den USA, eine andere in Spanien - und interessanter Weise duerfen sie Ausreisen und sie besuchen. Haben eine ganze Europatour unternommen. Laut Aurora duerfe das jeder, man muss nur einen Menge Dokumente ausfuellen, Geduld haben und naja, auch gewisse Vorraussetzungen erfuellen. Die beiden haben eine riesige, wunderschoene begruente Dachterrasse und er bastelt in der Werkstatt, schreibt Kinderbuecher und malt. Sie scheinen sich pudelwohl zu fuehlen.

Drei weitere Naechte haben wir in der Altstadt bei Yamir gewohnt, einem 39-jaehrigen Vater und "Geschaeftsmann". Einerseits vermietet er einen Teil seiner Wohnung an Touristen, anderseits verkauft er CD's mit kuban. Musik und vor allem TV-Filmen und Serien, die ihm seine Landsleute sozusagen aus den Haenden reissen. Im Schnitt verkauft er fuer 30 CUC pro Tag, mit ca. 17 CUC gewinn - soviel wie seine Mutter, eine Chirurgin, im Monat verdient. Und die hat viel mehr Verantwortung zu tragen und einen geregelten Tagesablauf. Wirklich verrueckt. Von dem Geld was er fuer die Uebernachtungen bekommt muss er allerdings ziemlich viel dem Staat geben. Angeblich 200 CUC pauschal im Monat, egal wie oft er vermietet, und dann noch mal Steuern auf den Rest am Ende des Jahres.

Im Jahr 2000 gab es angeblich eine Lotterie, bei der 200.000 Kubaner eine Ausreisegenehmigung gewinnen konnte. Er und seine erste, da bereits geschiedene Frau haben sie erhalten, aber er wollte seine Heimat nicht verlassen. Er hat auch von seiner Mutter gehoert, dass es gar nicht ueberall so viel besser ist - sie war beruflich im Ausland (in China, Nordkorea, Angola, Suedafrika…..)
So ist seine Frau mit ihrem gemeinsamen Kind, neuem Mann und einem weiteren Kind nach Arizona gezogen und er ist geblieben.
Yamir arbeitet eifrig weiter und spart auf ein Haeuschen mit Garage und ohne neugierigen Nachbarn aus den anderen Etagen fuer sich und seine andere Tochter und seiner neuen Partnerin.

Und dann ist da Jodelki, der in einem Souvenirladen arbeitet und die Touristen auf der Strasse anspricht und Mitbringsel verkauft. Er ist erst 22, steht auf Musik und Mode und moechte nichts lieber als Ausreisen. Er hat uns geholfen, die Unterkunft zu finden. Hatte auch versucht Leihfahrraeder von privat, Handychip und Internetzugang zu organisieren, das hat leider aber dann doch alles nicht geklappt.
Mit den CUC die er verdient kauft er sich am liebsten Klamotten. Die Turnschuhe kosten 40 CUC (ein Vermoegen hier, und definitiv mehr, als Michaels Schuhe gekostet haben :-), die modischen T-Shirts 30 CUC, der Guertel 60, etc.)
Dabei ist er supersuess, lustig und nett und war bereits mit einigen Touristinnen zusammen. Mit der letzten, der Italienerin war es wohl was ernsteres, aber heiraten und ihn nach Italien bringen wollte sie dann wohl doch nicht. Er meint, er fuehle sich benutzt, ist nur deren Spielzeug auf Zeit. Hihi, wie sich die Perspektiven veraendern koennen.
Abends geht er gerne mit seinen Freunden aus und wir hatten ihn einen Abend eingeladen. Ich stoeckelte neben Michael und Jodelki mit meinen in Kuba neuerworbenenen Stoeckelschuechen ueber die holprigen schlecht beleuchteten Strassen zur Casa de la Cultura (die angesagteste Disko der Stadt), als ein Polizist mit Schaefhund Jodelki an einer Ecke anhielt und ausweisen lies. Nach einigen Telefonaten hin und her durfte er dann mit uns weiterziehen.
Anscheinend duerfen Kubaner keinen 'engeren' Kontakt zu Touristen haben - es sei denn man arbeitet wie er sozusagen in der Branche. Irgendwie schon freaky.
Wir hatten einen lustigen Abend mit Jodelki und 2 seiner Freunde und ich hatte mich ueber einen guten Tanzpartner/-lehrer gefreut. Die scheinen's wirklich im Blut zu haben.
Hab ihm gesagt er soll seine Zeit mann lieber besser nutzen und was lernen, womit er ueberall in der Welt Geld verdienen kann, damit er bereit ist, wenn sich die Zeiten dann mal aendern und er Ausreisen kann. Bin gespannt wie's weitergeht, wir haben nun email Kontakt.

So gesehen ist es grossartig, dass ich mich so gut mit allen verstaendigen kann. Fuer Michael war's auf die Dauer ein wenig nervig, denn ueber allgemeines Herumfloskeln gehen seine Spanischkenntnisse und das Englisch der Kubaner leider nicht hinaus.

Nach Havanna haben wir uns fuer 5 Tage ein Auto gemietet und sind gen Pinar del Rio gefahren. Die ersten zwei Naechte genossen wir ein angeblich 5-Sterne Hotel, das tatsaechlich sehr schoen und komfortabel war. Es liegt im Nationalpark "Las Terrazas" mit vielen Wanderrouten, zwei Seen und div. Fluessen mit Planschbecken.
Angeblich duerfen Touristen nicht alleine herumrennen, aber da Michael Regeln zuwider sind, haben wir's einfach mal versucht und uns mit ner duerftigen Karte auf den Weg gemacht. Und hatten tatsaechlich eine ganz schoen anstrengende Wanderung den steilen Pfad zum 450m hohen Huegel "El Taburete" hinauf mit einer herrlichen Sicht uber die Region. Danach ging's auf der anderen Seite wieder hinunter und im weiten Bogen zurueck. Die Ruinen der franz. Kaffeeplantage San Idelfonso haben wir irgendwie verpasst, aber es war trotzdem herrlich, mit vielen Voegeln und unterschiedlichster Vegetation und einem erfrischenden Bad im Fluss zum Abschluss.
Das Restaurant im Hotel bot schon erstaunlich leckeres Essen fuer kubanische Verhaeltnisse und aber am naechsten Abend konnte ich's kaum glauben, als wir ein oekologisches und auch noch vegetarisches staatliches Restaurant gefunden hatten. Da haette ich gerne jeden Tag gegessen. Hab meine Begeisterung im Gaestebuch verewigt, zusammen mit dem Vorschlag, so etwas in jeder groesseren Stadt zu etablieren. Denn Obst, Gemuese, vor allem frisch sind hier extreme Mangelware.
Den 2. Tag haben wir die Ruhe unseres Hotels genossen, eine kleine Wanderung gemacht und uns dann mit vielen neugierigen Kubanern am See 'entspannt'. Es war ja gerade Nationalfeiertag (50 Jahre Revolution) und auch noch Ferien, so dass aus diesem Anlass eine lautstarke Anlage aufgebaut wurde, die den ganzen Nachmittag "Regaton" und Salsa spielte (einfach mal bei youtube eingeben).

Oeffentliche Verkehrsmittel sind hier Mangelware, und so nahmen wir auf dem Weg nach Pinar del Rio (Hauptstadt der gleichnamigen Region) und Vinales einen Anhalter mit, der uns auch gleich zu seinem Arbeitsplatz, einer kleinen Tabakplantation fuehrte. Dort haben wir einiges ueber Tabakanbau und das Leben der Farmer erfahren und einige Cohibas zu wirklich guenstigem Preis erstanden.
Auf dem weiteren Weg war ein trampender Arzt unsere Begleitung, der uns auf Nachfrage auch gleich ein Restaurant zum Mittag empfohl - welches sich dann als tatsaechlich schoen und koestlich entpuppte. Am naechsten Abend sind wir gleich wieder dort eingekehrt!

Dank Handy hatte ich bereits eine Reservierung in unserer nachesten Station gemacht, Hotel Ranchon San Vicente, sehr idyllisch gelegen, mit vielen Palmen, Rasen und Pool und verstreuten Bungalows. Dort haben wir gleich fuer den naechsten Tag einen Ausritt organisiert. Da der Cowboy aber erstens 40 min zu spaet kam und die Gruppe zweitens viel zu gross war, sind wir dann doch aufs Radel umgestiegen und haben die naechsten 4 Stunden das fruchtbare Tal von Vinales erkundet.
Die fruchtbare rote Erde ist voller Tabakplantagen, eingebettet in kuriosen, fast zylindrischen Huegeln, auf Spanisch "Mogotes" genannt. Diverse Huegelketten sind aus aehnlichem Limestone (weiss grad nicht, wie das auf Deutsch heisst) und mittlerweile wurden 150 Tropfsteinhoehlen, oft mit unterirdischen Seen entdeckt. Als wir dann endlich zu einer fanden (und dort lustigerweise der Pferdegruppe mit dem Cowboy vom Morgen begegneten) mussten wir trotz unserer do it yourself Mentalitaet letztendlich doch einen Fuehrer nehmen und bezahlen, weil unsere funzelige Taschenlampe in der stockfinsteren Hoehle einfach nicht ausreichte. Das Wasser war angenehm kuehl und wir genossen die herrliche Abkuehlung nach unserer ersten Strecke auf staubigem Weg.

Abgesehen von der wunderschoenen Landschaft und inzwischen recht vielen Touristen gibt's im Staedtchen Vinales nicht allzuviel zu sehen. Die beiden Abende haben wir uns mit Cuba Libre, Live Salsa und einigen Tanzgelegenheiten fuer mich amuesiert. Michael besteht auf Einzelunterricht im dunklen Kaemmerchen, denn er hat sozusagen zwei linke Fuesse. Auch ganz gut, wenn ihm nicht immer alles so leicht von der Hand geht :

Der Rueckweg nach Havanna mit einem kurzen Stopp in der beruehmten Marina Hemingway war recht unspektakulaer.

Alles in Allem hatten wir auf jeden Fall eine grossartige Zeit.
Die Kubaner sind super freundlich, die Natur noch recht unbehelligt, Kriminalitaet minimal.

Die letzten drei Tage waren wir mit Reisen, Aufraeumen und Klar Schiff machen und Segeln beschaefigt, so dass wir heute (23.4.) einen recht faulen Tag geniessen. Uns stehen noch ca. 70 sm bis Cayo Largo bevor. Der Passatwind blaest tuechtig - aus Ost, genau von dort, wo wir hin wollen. Wir hoffen, dass Wettervorhersage Recht behaelt und wir uebermorgen schwachere Winde und somit einen leichteren Toern gegen Stroemung und Wellen haben werden..
Wahrscheinlich werden wir auch in Cayo Largo auschecken und von dort zu den Caymans uebersetzen, damit wir gg. 4./5. Mai dort ankommen und ein paar Tage Zeit haben, bevor Michaels Freunde kommen.

Somit verpassen wir dann Cienfuegos, Trinidad und Jardines de la Reina. Aber so ist das nun mal, wenn man auf Wind und Wetter angewiesen ist.

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