22. August 2019 – Der letzte Tag und die letzte Nacht auf der Ar anui

Niki.schmidt.warc
Thu 22 Aug 2019 23:51

52:20.450N 05:08.000W

Ein Traum ist wahrgeworden, die Weltumseglung ist ... hier fehlt mir eigentlich das richtige Wort: ist sie vollbracht, erreicht, fertig, geglückt, erfolgreich beendet? Vermutlich alles zusammen...

Heute Nacht war eine anstrengende Nacht, ich war oft wach um sicher zustellen, dass wir richtig navigieren. Das Navigieren in diesem Abschnitt der Küste von Frankreich nach  Holland ist anspruchsvoll. Man muss Windparks, Gasparks, geankerte Tankerflotten, unglaubliche Anzahl von Bojen, welche Sandbänke oder Wracks anzeigen und nicht zu vergessen natürlich die lieben Fischerboote umschiffen. Dazu kommt die Strömung, welche einem ab und zu einen Streich spielt und das UKW Funk, bei welchem man Mithörpflicht hat auf Kanal 16 und welches die ganze Nacht hindurch aktiv läuft, von den Gasplatformen zur Coastguard, zu Pan-Pan-Pan Aufrufen, weil irgendwo ein manövrierunfähiges Boot mitten in einer TSS steht etc. etc.

Es ist Morgen und ich habe meine letzte Morgenschicht begonnen. Die Sonne scheint und es weht ein kalter bissiger Wind. Ich bin eingepackt mit Fleeze und Daunenjacke, und das im August bei schönstem Wetter. Wir sind gut in der Zeit und sollten in ca 8 Stunden vor Ijmuiden ankommen, das ist der Eingang vom Kanal durch Amsterdam hindurch.

Ich mache ein Müesli mit frischen Früchten und gefrorenen Beeren und geniesse die Ruhe (abgesehen vom Motor, der monoton vor sich her brummt) des Morgens. Es ist irgendwie schon etwas befremdend und traurig. Es ist heute alles das letzte Mal. Das letzte mal das Segel setzen, das letzte mal den Preventer anziehen, der uns heil um die Welt gebracht hat, das letzte Mal den Tank entleeren ...

Ja, die Aranui ist auf dem Weg verkauft zu werden. Alles ausräumen und wo immer möglich den Originalzustand wieder herstellen. All die kleinen Verbesserungen, welche ich um die Welt rum so entwickelt habe, müssen wieder weg. Für einen optimalen Verkauf muss die Aranui möglichst wenig Persönliches vom Vorbesitzer aufzeigen (da verlass ich mich auf die Experten). Das Rückhalteband der Kühlschrankklappe, die kleinen Leisten, welche das Leebrett gehalten haben, die vielen Haken und Ösen, welche das Leben vereinfacht haben, die Unmlenkrollen und Ösen für das laufende Gut an Deck, der Preventer, die Sicherungen für die Beschläge am Grossbaum etc.. Man könnte eine riesige Liste weiterführen.

Zurück zum momentanen Alltag. Wir sind 10 Meilen vom Ufer weg und noch 20 Seemeilen vor Amsterdam. Wie es so ist, sie kommen unerwartet. Ich bin gerade auf dem stillen Örtchen, da ruft Nick: ‘ Niki, wir haben Besuch!’. Und dann stehen sie schon auf der Aranui, die bewaffneten und in Überlebensanzüge gepackten Einheiten der Coastguard. Sie kamen sehr überraschend. Plötzlich fährt ein Rib (ein grosses Schlauchboot mit etwa 500 PS) neben der Aranui, und sie fragen die übliche rethorische Frage: Dürfen wir an Bord kommen – ohne wirklich die Antwort abzuwarten. Danach kommt das grosse Coastguard Schiff von schräg hinten um allenfalls Deckung zu geben. Die zwei Boote begleiten uns dann die nächsten 20 Minuten im Abstand von 30 m. Die üblichen Fragen – vor allem interessiert wieder, wann wir wo die EU betreten (besegelt) haben, dass wir keine Mehrwertsteuer bezahlt haben (das muss man als Schweizer für ein Boot in der EU nicht, falls es nicht länger als 18 Monate drin bleibt), und ob wir Krokodilhäute oder Muscheltiere an Bord haben. Die Herren sind sehr freundlich, kann mir aber vorstellen, dass sie auch sehr unfreundlich sein könnten. Nach vielen Fragen verlassen sie die Aranui etwas umständlich – die Wellen sind etwa zehn mal kleiner als damals im Pazifik....

Um 1830 fahren wir in den Nordseekanal ein. Erst geht es durch eine Schleuse hindurch und dann folgen wir dem ca 200 m breiten Kanal durch Amsterdam hindurch während etwa 18 Meilen. Es wird bald einmal dunkel und vorallem in der Stadt drin wird es ziemlich anspruchsvoll mit der Durchfahrt. Links ein Partyboot mit grölenden Gästen. Rechts plötzlich mitten in der Stadt ein kleines fast unbeleuchtetes Fischerboot, dann wieder ein 130m langer Frachter, der mit Kies beladen ist und nur 3 kleine Lichtlein führt. Irgendwann wird es dann wieder dunkler und weniger belebt und dann kommt wieder eine Schleuse und noch eine Zugbrücke, welche für uns geöffnet wird. Danach geht es raus ins Markermeer bevor wir dann nach 6 Meilen abbiegen.

Um punkt 0100 kommen wir in der Marina Muiderzand an. Es ist auch hier stockdunkel und wir suchen unseren reservierten Platz. Jetzt bin ich ziemlich fix und foxi, aber es gibt noch Wienerli, Brot mit Klein Konstantia Süsswein – ich weiss kulinarisch nicht gerade eine optimale Kombination, aber es schmeckt! Wir sind also angekommen.

Eine Frage die immer wieder aufgetaucht ist, ist das WARUM? Ich weiss es nicht, ich kann es auch nach der Reise nicht sagen. Es hat Freude und Spass gemacht, es war interessant neue Kulturen kennenzulernen, hat mir die Augen geöffnet, hat mich nachdenklicher gestimmt und mir sicher mehr Respekt vor der Natur eingeflösst. Segeln, segeln und nochmals Segeln – und aufs Wasser schauen...

Im ganzen waren etwa 45 Crews aus meiner Familie, meinem Freundeskreis und meinen Segelfreunden mit dabei. Danke an alle die mitgemacht haben, die Freude daran hatten und die mir geholfen haben auf den letzten 37'000 Seemeilen. Dank auch an all jene, die virtuell mit dem Blog mitgelesen und mitgelebt haben und an die, welche im Hintergrund gearbeitet haben wir z.B. meine Familie oder Eugen von X-Yachts. Danke auch an meine neuen Weltumseglungsfreunde aus La Rochelle, Huston und England, vor allem für die Unterstützung während den schwierigsten Stunden im Pazifik. Der grösste Dank aber geht an Sylvia, Joel und Fabienne, die mich gehen liessen um mir meinen Kindheitstraum zu erfüllen und and meine Eltern fürs Verständnis für die lange Abwesenheit. Ich hoffe ich konnte mit diesem Blog ein paar Stunden Unterhaltung heimschicken, auch wenn es manchmel etwas zu kulinarisch oder selgetechnisch war...

... aber irgendwann geht auch ein erfüllter Traum zu Ende.

 

THE END