11. September 2017 - von Lisabon nach Lanzarote Tag 3

Niki.schmidt.warc
Tue 12 Sep 2017 00:03
Es ist mal gerade wieder Mitternacht - meine Schicht von 0000-0200. Ich sitze im Cockpit mit dem Laptop auf den Knien, mit genügend Lage nach Steuerbord, dass ich nicht von der Bank rutsche bei diesem unruhigen Wellengang (einziges Manko, der PC Bildschirm ist gleissend hell und lässt sich aus irgendeinem unerklärlichen Grund nicht dimmen). Der Himmel ist absolut 'sternen'-klar (drum heisst es wohl auch so), wieder mit ein paar Wolken, aber diesmal ohne Mond. Der Mond geht erst in zwei Stunden auf: jeden Tag ca. 2 h später.
Heute war wieder ein superschöner Segeltag. Es windet seit dem frühen Morgen mit 20-30 Knoten Wind (ca. 5-7 Bft). Wir fahren nach wie vor mit zwei Reffs im Gross und gereffter Fock mit Kurs 185 Grad Richtung Lanzarote. Der Wind kommt platt von hinten und die Wellen haben zugenommen. Schwierig zu schätzen, aber wenn sie sich aufbauen hinter dem Heck, und man einfach zusehen kann (muss), wie sie steigen und steigen und steigen, um kurz vor sie ins Cockpit platschen, dann doch noch unser Heck anheben, wird es einem manchmal schon etwas ungemütlich. So jede Stunde kommt dann auch mal eine über die Reeling und trifft den hinteren Teil des Cockpits. Seit gestern Nacht, schliessen wir den Niedergang und das Schiebedach zu, sodass nur noch ein kleiner Spalt vorhanden ist. Eine solche Welle im Saloon, wäre eine riesen Schweinerei, weil sie vermutlich den Kartentisch und alle Instrumente treffen würde. Die Wellen sind zwischen 3 und 4 Meter hoch, aber manchmal, wenn man in so ein Wellental hinunterschaut (nachdem die Welle fast ins Cockpit hineingekommen ist, hat man eher das Gefühl von 6 Meternm (aber Wellenhöhen teuschen immer).
Die Aranui segelte den ganzen Tag ziemlich unruhig und machte starke Bewegungen. Es war dann auch nicht ganz mein Tag heute. Es sind mir mindestens zwei volle Kaffees ausgeert in der Küche: Der eine auf den Boden, der andere hat sich seinen Weg in die Kühlbox gesucht (und gefunden) und sich dort blitzartig wunderbar verteilt. Beim Abwaschen, obwohl ich die Gläser absolut sicher hingelegt habe, hat sich bei einem Bocksprung eines selbstständig gemacht und dann waren's nur noch 4.... Am Abend habe ich dann versucht, den Resten des von Urs gebackenen Kuchen aus dem Schaft zu nehmen, habe mich gut verkeilt, die Konfitürengläser und das Müesli mit der einen Hand gehalten, den Kuchen blind aus der Ecke gezogen... und bin dann mitsamt dem Sofakissen und all den aufgezählten Waren Richtung Lee gesaust. Und Aufräumen bei dieser Lage und diesen unruhigen Verhältnissen machts auch nicht viel besser.
Kurz vor dem Nachessen konnten wir Halsen (wir halsen aber nicht, sondern fahren eine 300 Grad Wende (dieses Manöver ist schonender für alle (Crew, Aranui, Gläser, Grossbaum und Esswaren etc.). Der neue Kurs geht jetzt direkt auf Lanzarotte zu und der Wind kommt nicht mehr ganz platt von hinten. Die Wellen auch nicht und so wird die Fahrt noch unruhiger. Ich melde Simi in die Combüse hinunter wenn ich denke, dass eine kurze ruhigere Phase auftritt, damit er das Kartoffelwasser ableeren kann. Und es gelingt. Zum Nachtessen (man könnte sagen, wir sind hier nicht ganz konventionell, nachdem es am Sonntag Suhi gegeben hat) gibt es heute Bratkartoffeln und Alpkäse von Anita (wer immer auch Anita ist, aber sie ist laut Urs die Älplerin, die diesen Käse offenbar gemacht hat).
Und dann folgen eben meine Episoden mit dem Kaffe, Kuchen, Abwaschen etc.
Wir sind seit Lisabon 370 Seemeilen gesegelt und haben jetzt noch ca 250 vor uns.
Im Moment ist es wirklich stockdunkel und man sieht die Wellen nicht, man hört sie nur heranrauschen. Es ist alles schwarz und dann ganz plötzlich schäumt es hinter dem Heck. Unser weisses Hecklicht beleuchtet dann den weissen Schaum beim plötzlichen Aufschlagen der Welle am Heck. Dann wird alles wieder schwarz und das nach hinten gerichtete Licht verliert sich im Dunkeln.
Und plötzlich piepst es - ein Alarm (einer der vielen). So etwa alle 6-7 Stunden läuft die Bilgenpumpe an (vermutlich um zu zeigen, dass sie auch noch da ist) und das geschieht immer mit 10 Pipstönen, welche einem in der dunklen Nacht, in welcher man stundenlang den Wellen und dem Wind zuhört, schon ziemlich durch Mark und Bein gehen. Meist ist es auch gar kein Wasser, welches reinläuft, sondern es ist das Restwasser, welches im Bilgensumpf durch die Wellenbewegung zufällig gerade einen Kontakt zwischen den beiden Fühlern gemacht hat. Man wartet dann immer mit Spannung, ob es beim 10. Mal bleibt (weil sonst wäre wirklich etwas nicht gut...
Die Temperaturen sind gestiegen, langsam merken wir, dass wir südlicher sind. Heute Nacht bin ich ohne Ölzeug und nur mit einem Tea-Shirt und einer Daunenjacke drausseb (wir haben zwischen 40 und 50 kmh Wind).
Jetzt werde ich versuchen diesen Blog wieder zu schicken. Das läuft über Kurzwellenfunk (SSB) welcher uns neben dem weltweiten Funken ermöglicht, auch kleine Datenmengen zu verschicken. Man stelle sich vor, dieser Blog ist etwa 2500 Byte! (nicht kilo und nicht mega...) gross und braucht sicher 3-4 Minuten, bis er durch ist - aber es funktioniert.
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