2. Juni - Endlich, der Wind, der Wind das himmlische K ind!

34:39.200N 53:09.400W Gestern Abend um ca. 22h frischt
der Wind auf. Bald sind es mal 10 Knoten und sogar aus der richtigen Richtung.
Die Aranui ist bald mit 5.5 oder sogar 6.5 Knoten unterwegs. Und so geht es die
ganze Nacht hindurch. Ich habe meine Wache von 00-02h und der Wind weht immer
noch. Eine wunderbare Nacht. Der Morgen ist dann um so überraschender. Der Wind
nimmt zu und als ich erwache um 08h setzen wir erst einmal den Gennacker. Und
dann geht die Post ab: Wir brausen mit 7-8 Knoten dahin. Der Gennacker steht
wunderschön und zieht uns mit Kurs 50 Grad Richtung Azoren. Wir müssen immer
noch etwas nördlich halten, damit wir nicht allzu stark ins Hochdruckgebiet
reinfahren, welches auf unserer Steuerbordseite ist, aber der generelle Kurs ist
bereits – Azoren. Den ganzen Tag über weht der Wind
mit 12-15 Knoten und wir machen Weg gut, verglichen mit den letzten Tagen – und
noch viel besser, wir verbrauchen keinen Diesel und müssen der Motorenmusik
nicht immer zuhören. Es ist herrlich warm und wir verbringen den Tag mit Lesen
oder einfach auf’s Meer schauen, dem Zischen und Gurgeln zuhören und natürlich
ausnahmsweise auch mit Essen. Barbara zaubert wieder mal einen ‘Auberginen-,
Kartoffel- und sonst noch ein paar Zutaten... Gratin’ auf den Tisch. Zum Dessert
gibt es frischgebackene kleine Küchlein. Aber eben, es kann ja nicht so
einfach weitergehen. Etwa um 11h vibriert der Hydrogenerator plötzlich
unglaublich stark. Es hat wieder mal Seegras am Schaft und diesmal eben auch am
Propeller. Das Gras am Propeller lässt sich nicht lösen, solange dieser im
Wasser ist und mit voller Tourenzahl dreht und vibriert extrem stark. Das
Seegras am Schaft kann man mit dem Bootshaken runterdrücken und dann ist es
normalerweise mit der Strömung weg. Wir beschliessen den Hydrogenerator
raufzunehmen und ‘mit weniger’ sauberer Energieproduktion durch dieses Gebiet zu
fahren. Dazu müssen wir aber fast stillstehen, denn ein Sicherungsbolzen muss
rausgezogen werden um den Hydrogenerator hinaufzukippen. Unter Gennacker und 8
Knoten Geschwindigkeit unmöglich: Wir beschliessen den Gennacker zu bergen und
mit dem Motor retour zufahren. Das sollte reichen um die Kraft des Grossegels zu
kompensieren. Mit voller Kraft retour steht die Aranui dann ziemlich still und
der Bolzen kommt raus. Zum Glück haben wir noch die Solarzellen, welche auch
8-10 A liefern bei 24 Volt. Unser Verlust an Stromproduktion hält sich also in
Grenzen. Erstaunlich ist, dass diese Solarzellen immer noch soviel Leistung
liefern. Mir wurde damals gesagt, dass wenn ich die flexiblen Zellen einfach so
aufs Bimini montiere, die Lebensdauer höchstens ein paar Wochen sein wird, weil
die Panele bei Windeinfall zu flattern beginnen und bald mal brechen werden. Aus
den paar Wochen sind nun 20 Monate Härtetest geworden und obwohl die oberste
Schicht Kunststoff durch die Sonne abgeblättert oder sonstwie zerstört wurde,
liefern die Panele noch 80% der Nominalleistung. Irgendwie erinnert mich das an
die Zeit vor 30 Jahren, als mir zwei Professoren der ETH Zürich prophezeiten,
dass meine Solarzellen, aufgeklebt mit doppelseitigem Klebeband auf meinem
Solarmobil das Rennen vom Bodensee nach Genf nie überstehen würden (wir wurden
damals 5. in der Königskategorie – die ETH schied aus...) – ich realisiere, dass
ich abgeschweift bin, aber manchmal hat man hier Zeit und Musse für soche
Flashbacks... Der Wind ist immer noch da, es
ist jetzt Abend geworden und die Dämmerung bricht ein. Wir müssen jetzt
beschliessen, ob wir den Gennacker durch die Nacht hindurch segeln werden, oder
jetzt vorsichtshalber kleinere
Segel aufziehen. Wenn wir den Gennacker oben lassen heisst das bei unerwartetem
Windanstieg, dass alle mitten in der Nacht aufstehen müssen um ihn zu bergen.
Das Manöver nachts braucht die ganze Crew. Wir beschliessen das Risiko
einzugehen (aufzustehen). Der Wind ist seit etwa 3h bei 10-11 Knoten. Ich gehe
jetzt schlafen... |