21. März 2019 - Der Norden von Brasilien - resp. das, was man davon mitbekommt mit 3 gebrochenen Rippen

12:02.735N 61:44.967W Im Nachhinein waren andere Dinge
wesentlicher auf der Etappe von Cabedelo als Wind, Wetter, Essen und was sonst
noch so alles normalerweise geschieht: Schmerz, Schmerz, Schmerz war der alles
dominierende Gedanke und der Wunsch nach möglichst flachem Wasser ohne Wellen,
was es übrigens kaum je gab! Unser Leck auf der
Steuerbordseite (welches inzwischen gefunden wurde und behoben ist) bringt etwa
einen Liter Wasser pro Stunde ins Innere der Aranui. Das Wasser landet bei mir
vorne auf dem Kasten und wir durch einen Rand zurückgehalten. Etwa alle zwei
Stunden bin ich am ‘Schwämmle’, d.h. aufsaugen und in den Kessel hinein
auswinden. Das geht eigentlich ganz gut, weil man sich ja immer mit der einen
Hand festhält und mit der anderen etwas macht (eine Hand fürs Boot und die
andere für was auch immer...). Beim Schwamm ausdrücken in den Kessel, welchen
ich zwischen die Beine geklemmt habe, muss ich ganz kurz loslassen, damit ich
den Schwamm wirklich ausdrücken kann. Das ist eigentlich kein Probelm, man muss
das einfach timen und warten bis sich die Aranui in der Welle auf die richtige
Seite neigt. Nur einmal, eben, da kam kurz nach der ersten Welle – inzwischen
gerade am Ausdrücken – eine zweite Welle, welche mich unerwartet durch die
Toilettentür (welche eigentlich hätte zu sein sollen) direkt auf die andere
Bootsseite auf den Rand des Lavabos knallt. In dem Moment höre ich wie es
splittert/kracht und weiss, da ist was gebrochen. Ich falle auf den Boden und es
wird mir kurz schwarz vor den Augen. Der Schmerz ist höllisch... Ich installiere mich im Saloon
auf der Backbordseite, da wir meist nach Backbord krängen. Schmerzmittel haben
jetzt Hochkonjunktur. Essen mag ich erst mal gar nichts. Es tut nur einfach
weeeeehhhhhh.... An Schlafen ist nicht zu denken, einfach nur warten, dass es
aufhört. Aber es wird nicht aufhören, denn sie sind gebrochen. Zu diesem
Zeitpunkt habe ich das Gefühl, dass es zwei Rippen sind (später sieht man dann 3
Brüche). Ärztlich betreut werde ich wieder mal von der PretAixte, resp. von
Denis und Brigitte, den zwei französischen Radiologen. Aber auch das Segeln muss
weitergehen. Karen und Andreas managen die Aranui über die nächsten 3 Tage und
sie verpflegen den wehleidigen Patienten (Schmerzen waren nie meine Stärke). Und
sie machen das perfekt. Die Aranui segelt weiter wie wenn nichts wäre, manchmal
ein Zwischenkommentar von der Backbordkoje im Saloon, dass man das Gross oder
die Genua etwas dichter nehmen sollte.... Ein Toilettengang, mit der Hilfe
von Anderas eisernen Griffen, welche ich überall benutzen kann – er steht dann
einfach hin mitten im Schiff wie angewurzelt und ich kann mich an ihm halten –
braucht mindestens 20 Minuten, so langsam kann ich mich bewegen. Vom Segeln an sich bekomme ich
nicht mehr allzu viel mit. Wir halten uns an der NE Küste von Brasilien ziemlich
genau an die Höhenkurve, wo die Kontinentalplatte ins tiefe Meer abbricht. Dies
ist aus strömungstechnischen Gründen wichtig. Ein nachträglicher Blick ins
Logbuch zeigt, dass wir eigentlich immer gesegelt sind auf diesen 1700 Meilen.
Wir gehen mit dem Strom und gleichzeitig sind wir genügend weit weg um der
spontanen Gelegenheitspiraterie auszuweichen. Dies ist in Brasilien und
Venezuela ein Problem. Es gibt immer wieder Fischerboote, welche sich einen
Zusatzverdienst holen möchten. Vor dem Amazonas Delta, halten
wir knapp 200 Meilen Abstand, damit wir sicher nicht in die gewaltigen
Gegenströmungen kommen, welche die Stromkarten anzeigen. Am 5. Tag nach meinem Unfall
bekomme ich wegen dem Ibuprofen eine Gastritis..., das Tramal hilft zwar ab dann
gegen die Schmerzen, nachdem ich aber graue Flecken und Pünktchen sehe, setze
ich alle Medikamente aus Sicherheit ab: Schmerz, noch mehr
Schmerz.... Das nächste Ziel ist Devils
Island in Französisch Guyana. Das sind 3 kleine vorgelagerte Inseln, welche man
anfahren kann, ohne in Französisch Guyana einzuklarieren. Wir nehmen Kurs auf
die Ankerbucht und Ankern unter relativ ruhigen Bedingungen. Eigentlich wäre ein
Raketenstart angesagt, bei welchem die Ankerbuchten dann geräumt werden müssen,
aber wie so oft wird der Start verschoben. Trotzdem, ich möchte wenigstens
eine Nacht ruhig schlafen können und beschliesse mit Hilfe vieler helfenden
Hände eine Nacht im Hotel zu verbringen. Hal von der Cayuse kommt mit dem
Schlauchboot rüber und bringt mich an Land. Wir laufen zum Hotel hinauf, was
unter normalen Bedingungen ca. 5 Minuten in Anspruch nehmen würde. Ich brauche
eine halbe Stunde, weil jeder Schritt schmerzt. Bereits im Schlauchboot, obwohl
das Wasser praktisch flach war, musste ich laut aufschreien. Vom Schlauchboot
ans Land, haben mir 6 Hände geholfen... Devils Island besteht aus einem
ehemaliges französisches Gefängnis, wo bis 1954 noch viele Gefange inhaftiert
waren, viele dies aber nicht überlebten. Die Bedingungen waren grausam,
beschrieben in Büchern und sichtbar auf Tafeln im Hotel. Da kann ich mich ja
trösten, es könnte noch schlimmer sein... (das war dann übrigens auch mein
Motivationsmotto während den nächsten Tagen). Ich schlafe also im Hotel,
welches ein ehemaliges Gebäude der Gefangeneninsel ist, vermutlich etwa 70 Jahre
alt. Die Zimmer sind riesig, aber haben nur ein Bett, einen Tisch und einen
Stuhl als Mobiliar. Die Matratze ist steinhart... was meinen Rippen sehr
schlecht bekommt und ich mir meine Matratze von der Aranui zurückwünsche. Die
Härte der Matratze ist es dann auch, welche mich davon absehen lässt, hier in
Franz. Guyana aufzugeben und ins Flugzeug nach Europa zu steigen. Am nächsten Tag geht’s weiter.
Inzwischen hat sich Mat von der Cayuse bereit erklärt, mit uns auf der Aranui
nach Grenada zu segeln. Matt segelt professionell und ich bin ihm sehr dankbar,
dass er mit uns kommt. Dies nimmt viel Druck von Karen und Andreas und ich kann
mich etwas entspannen. Wir segeln weit aussen an Ländern
vorbei, wo ich gerne mehr Zeit verbracht hätte; Surinam, Guyana. Und dann kommen wir nach
Venezuela, um welches wir aber einen grossen Bogen machen. Die Situation ist so,
dass man Seglern empfiehlt weit weg vom Land durchzusegeln und ja nicht an Land
zu gehen (man könnte da zwar für etwa 15 US$ 500 L Diesel tanken.... das ist es
dann auch der Grund, weshalb trotzdem immer wieder Boote dorthin fahren, mit und
ohne Zwischenfälle. Die Überfälle häufen sich leider in diesem Land, das in
einer ungeheuren wirtschaftlichen und politischen Misere steckt. Wir fahren zu viert durch dieses
Gebiet; Cayuse (ein schneller Katameran), Pretaixte, Lydia und Aranui. Die
Chance von Piraten aufgebracht zu werden im ‘Konvoi’ ist kleiner. Trotzdem
meldet Cayuse plötzlich über Funk, dass sich ein altes Fischerboot bis auf
Rufdistanz genähert hat, aber weder auf Zuruf noch auf Funkaufruf reagiert. Es
folgt der Cayuse während 20 Minuten. Jedesmal, wenn die Cayuse den Kurs ändert,
ändert das Boot diesen auch. Cayuse macht rechtsumkehrt und kommt auf uns zu.
Kurz darauf verlässt uns das komische Fischerboot und sucht das Weite. Eine
beunruhigende Erfahrung. Vor der Abfahrt von Cabedelo
haben wir uns noch bei der Coastguard von Grenada und Tobago registriert. Die
empfehlen einen Passageplan zu deponieren, d.h. genaue Angaben zu machen, wann
man wo durchfahren will. Sie werden einem dann beobachten und den UKW Funk
vermehrt abhören. Die kritische Stelle bez. Piraterie scheint zwischen den zwei
Inseln zu sein. Seit die zwei Coastguards aber endlich miteinander sprechen und
Aktionen koordinieren hat die Piraterie dramatisch abgenommen. Wir segeln
nördlich von Tobago durch und nehmen bald einmal Kurs auf die SW Spitze von
Grenada. Dann bricht der Wind total weg und wir stellen noch ein letztes Mal den
Motor an. Nach 12 Tagen, davon 7 mit
gebrochenen Rippen auf hoher See, fühlt sich der Hafen von Port Louis in Grenada
wie das Paradies an, auf jeden Fall für mich. Nochmals ein ganz herzliches
Dankeschön and Matt und die Crew von der Cayuse, dass Mat mit uns segeln konnte.
Ebenfalls danke an Denis und Brigitte für die ärztliche Betreuung über Funk und
den Lead und das Routing beim Segeln auf diesen 1700 Meilen. Nicht zuletzt aber ein grosses
Kompliment meiner super Crew, welche alles perfekt ohne mich gemacht hat, Karen
und Andreas. Eigentlich war der Plan, dass
mich Sylvia, Thomas und Claudia in Grenada treffen würden und wir die letzten
130 Meilen zusammen nach St. Lucia mit gemütlichem Inselhopping verbringen
würden, aber aus dem wurde dann eben nichts: Sylvia mit gebrochener Schulter und
ich mit meinen Rippen. Wir vier
verbrachten 2 Wochen auf Grenada und St. Lucia. Nachdem Thomi und Claudia nach
Barbados weiterflogen, sind Sylvia und ich dann von Marigot Bay die letzten 10
Meilen noch nach St. Lucia gesegelt. Damit habe ich mit der Aranui und
vielen Freunden die Welt einmal umrundet. Ein gutes Gefühl, ein Traum der vor
über 40 Jahren entstand und in Erfüllung ging und um viele schöne und
interessante Erfahrungen reicher. Die häufigste Frage, die mir
gestellt wird: Wo oder was war am Schönsten? Da kann ich nur sagen: Das kommt
drauf an..... : - ). Am 24. Mai geht es weiter zurück
über den Atlantik. |