17. August 2019 – Ameisenstrasse

47:56.100N 06:27.600W Ja, und wie so oft, kommt es
anders als man denkt. Am Morgen werde ich geweckt durch
unglaublich starke Wellenbewegungen, es geht auf und ab und ist unmöglich zum
Schlafen. Schliesslich stehe ich auf und werde von links nach rechts durch die
Aranui geworfen. Man muss sich gut festhalten, wenn man nicht nochmals Rippen brechen will. Das
Geschirr in den Kästen rutscht hin und her, die Konfigläser spielen Kegeln. Erst
mal versuche ich ein paar dieser Krachmacher ruhig zustellen, mit mehr oder
weniger Erfolg. Beim Blick auf den Plotter sehe ich dann auch warum. Wir sind
soeben auf der Europäischen Kontinentalplatte angekommen. Die letzten zwei
Stunden haben uns von 3000 m Wassertiefe auf 150 m Wassertiefe gebracht – alles
klar! Es hat immer noch Wind, aber er
hat eindeutig abgenommen. Die ausgebaumte Genua knallt hin und her und auch das
zweifach gereffte Gross hat keine Freude an den Peitschenhieben. Gestern habe
ich gesehen, dass die Reffleine des 1. Und 2. Reffs Scheuerstellen hat. Die
müssen im nächsten Hafen mal nachgezogen werden um einnen Meter. Ich mache mal Frühstück, leider
heute ohne die feinen griechischen Yoghourts, welche wir bis anhin hatten. Und
unsere Yoghourtmachine hat den Geist aufgegeben. Sie hat keine stabile
Temperatur mehr und statt Yoghourt hat man nach 9 h nur saure Milch. Brot ist
auch Mangelware, also muss auch noch ein Teigg her. Nach dem Frühstück nehmen wir die
Segel runter und stellen den Motor an. Die Batterien sind nur noch auf 80%
geladen, da wir viel langsamer gesegelt sind als noch vor 24h. Der
Hydrogenerator alleine konnte unsere sämtlichen Energiebedürfnisse abdecken,
solange wir mit 7-8 Knoten vorwärts gekommen sind. Bei dieser Geschwindigkeit
ist er unglaublich effizient. Die Solarpanele liefern ja nicht gerade viel
zurzeit... Schon bald stellt der Wind ganz
ab, entgegen den Prognosen. Wir haben noch 2-3 Knoten Wind und dann kommt der
Regen. Es ist kalt, feucht und so richtig ungemütlich. Auch der Nachmittag bringt keine
Veränderung, ausser dass wir mal das Gefühl haben, man könnte die Segel wieder
setzten und einen Versuch starten. Bei Regen und leichtem Wind ändern wir die
Gennackerbaumstellung und ziehen die Genuaschoten neu ein um auf der anderen
Seite auszubaumen etc. etc. (inkl. 3 mal Einziehen der Genuaschonten, weil sie
sich mit der Lifeline kreuzen, wo sie sich nicht kreuzen sollten). Als wir dann
endlich bereit sind - ist der Wind wieder weg! Segel runter, der Regen beginnt
wieder und wir motoren wieder. Um 1730 übenimmt Jasmin meine
Wache, mit der Aussicht, dass ich kochen gehe. Es gibt Curry aus den Resten,
welche noch da sind (z.B. mit Risotto, statt Basmati – das Pouletfleisch
hingegen it frisch von den Azoren!). Ich brate 1.5 kg Pouletfleisch, in der
Annahme, dass wir zweimal davon essen könnten... Nichtstun, schlechtes Wetter
und Regen scheinen Hunger zu machen. Was übrig bleibt, ist ein kleines
Tupperware mit Sauce und etwas Fleisch. Tja, es scheint zu
schmecken. Gegen Abend kündigen sich auf dem
AIS die ersten Tanker und Frachter an. Sie kommen alle von NNE und es scheint,
wie wenn jemand eine Armada losgelassen hat. Auf unserem Kartenplotter sieht es
fast aus wie eine Ameisenstrasse von rechts oben nach links unten. Dazwischen
die Aranui, welche sich ihren Weg zweischen den Tankern hindurch sucht. Auf dem
Kartenplotter sind wir alle kleine Schiffchen und gleich gross. Und obwohl wir
ja Vortritt hätten... von all diesen Frachtern und Tankern macht keiner auch nur
eine Anstalt, den Kurs zu ändern. Es scheint wie auch hier Darwin recht hatte.
Survival of the fittest – oder man passt sich an an die Umgebenheit und weicht
aus (in Aranui Sprache). 300 m Stahl gegen 15 m Polyester! So geht es die ganze
Nacht weiter. Links und rechts ziehen sie an uns vorbei, die vielen Lichter der
Grossschiffahrt. Heute Nacht werden wir uns sehr konzentrieren
müsen. Wenn ich unseren Track verfolge,
sieht er aus wie eine Schlangenlinie, Ausweichmanöver nennt man das. Und die
Ameisen kommen immer noch... es ist
0200. |