celox² Newsletter #29 - "ITSDONE" !
Liebe Segelfreunde !
. . Dies ist der letzte Newsletter unseres Transatlantik Projektes. Die letzten beiden Tage haben wir neben unseren Aufgaben am Boot auch ein wenig Zeit gehabt über die letzten drei Wochen zu sinnieren. Sie sind wie im Fluge vergangen. Mir ist es immer noch so, als waren wir gestern in Las Palmas. Aber vorher noch einige Highlights der letzten beiden Tage.
Nach dem Übersegeln der Ziellinie und einem Ankermanöver unter Segel bei 25kt Wind in der Rodney Bay waren wir rechtschaffen müde. Ich habe aus meinen Geheimvorräten noch eine Flasche Champagner gezückt. Der Abschluss dieses Projekts hat besonderen "Stoff" verdient. Der Rest der Kummerschokolade wird verdrückt, die letzten Alkreserven hervorgekramt und vernichtet. In St. Lucia darf man keinen Alkohol und Tabakwaren einführen :-) ! Beim Tabak waren wir schon seit gut 10 Tagen "out of stock". Relativ schnell war jedoch der Übermüdungsgrad so hoch, dass jeder nur noch in seine Koje geflüchtet ist. Der Anker hielt felsenfest, wir hatten zwar keinen Motor zum Einfahrendes Ankers gehabt, die 25kt Wind haben das für uns erledigt. Trotzdem lege ich mich mit zwei Polster und einem Deckenüberzug an Deck und halte Ankerwache. Der Vorteil beim Schlafen an Deck ist, dass man nicht lange Schlafphasen hat, weil das Cockpit eine sehr harte Unterlage bietet. Damit wache ich alle halbe Stunde auf, kontrolliere meine Peilpositionen drehe mich um und schlafe weiter.
Um halb sieben ist Tagwache. Christian, ein geprüfter Taucher, kommt zum Einsatz die Schiffschraube zu checken. Wir vermuten einen ordentlichen Kuddelmuddel mit der Fischerleine. Dann die Überraschung. Christian fordert mein Segelmesser an und taucht ein schwarze Jean, heraus. Wir haben über 2000 sm eine aufgeblähte Jean mit über den Atlantik geschleppt. Dies hat eine Bremswirkung wie ein Treibanker. Ohne dieses Geschenk hätten wir sicher einen halben Knoten schneller sein können. Das wäre auf diese Distanz ein ganzer Segeltag gewesen. Natürlich haben wir auch ein wenig unserer Fischerleine gefunden, die war allerdings nicht das echte Problem.
High Quality, GoreTex und 2000sm washed !
Die Schiffschraube ist wieder frei. Wir können den Motor trotzdem nicht nutzen, da wir durch die schlagende Spischot den Gashebel verloren haben. Unsere Mechaniker Profis, Gerhard und Manfred, stürzen sich über das Manual des Motors und schauen wie Gasverstellung und Ganghebel direkt am Motor zu bedienen sind. Wir brauchen nur noch einen "Maschinentelegrafen" wie auf den großen Pötten. Die Lösung macht mich jedoch nich wirklich zufrieden und möchte mich in die Marina schleppen lassen. Bei 20 kt Wind mache ich keine Experimente in der schmalen Einfahrt und einer unbekannten neuen Marian. Unsere Mechaniker wollen jedoch nicht aufgeben. Sie zerlegen das Gehäuse des Ganghebel und legen die zwei Bowdenzüge frei. Mit chirurgischer Präzision arbeiten sich die beiden Stück für Stück nach vorne. Im Vorschiff wird derweil das Dinghy aufgeblasen, um und im Bedarfsfall bugsieren zu können. Dann die Meldung der Mechaniker, "Alles paletti". Sie haben die beiden Seilzüge so installiert, dass ich am Steuerrad gefühlvoll Gas geben konnte. Manfred diente beim zweiten Bowdenzug als Schaltoffizier. Also Anker auf und Testfahrten in der Rodney Bay. Alles funktioniert perfekt, ich bin begeistert. Wir melden uns daher bei "ARC berthing" an um eine Liegeplatz zugewiesen zu bekommen. Wir liegen auf Dock G, Berth 9. Optimaler geht es kaum, wir liegen fast direkt neben dem ARC Office und den ganzen Lokalen.
Schalten und Gas geben einmal anders !
Wir haben gerade festgemacht, als das ARC Begrüßungskommittee schon auf uns wartet. Wir werden von einem offiziellen Vertreter St. Lucia´s herzlich begrüßt. Eine "Ein Mann Steelband" spielt auf und wir bekommen sieben Rum-Punsch, einen Obstkorb, eine 1,5l Flasche eisgekühltes Heineken Bier und natürlich auch Werbeunterlagen von St. Lucia. Schnell das Boot aufklarieren und anstoßen mit dem Rum-Punsch. Eine äußerst nette Geste des Tourist Office von St. Lucia. Man merkt, welchen Stellenwert die ARC als Event für die Touristiker ist.
Anlegen, aufklarieren und anstoßen !
Dann die ganzen Formalakte, Einklarieren und Dokumente zum Marinaoffice tragen. In der Zwischenzeit hat Theo seinen Know-How Vorsprung in der Marina ausgespielt. Er war im Februar dieses Jahres schon einmal in dieser Marina. Die Crew setzt sich zu einem Lunsch ins "Bosun´s". Ich komme nach den "Formalakten" dazu und sitzen erstmals gemeinsam ein einem "Tschecherl" in der Karibik. Einser Menü ist, Cesars Salad, Fish & Chips und Bier. Ja heute darf auch der Skipper wieder Bier trinken. Ich bin stolz, auf der gesamten Reise kein einziges Bier und kein Glas Wein getrunken zu haben. Ein kleiner Manöverschluck am Tag war die kleine Ausnahme.
Mittagessen und trinken ohne Wellen !
Nachmittag war dann frei. Manfred ist mit dem Taxi zum Flughafen gefahren. Er hat dort seine Frau Maria abgeholt. Die beiden machen jetzt noch gemütlich Urlaub in der Karibik. Theo, Robert und ich suchen alle Geschäfte ab, um die richtigen Ersatzteile zu bekommen. Der Schalthebel, den wir bereits am Atlantik vorbestellt hatten liegt noch am Zoll und wir wahrscheinlich erst nächsten Dienstag montiert werden. Wer braucht schon Gashebel, wir fahren auch ohne ! Dann schleppe ich neue Fallen an Bord, die wir am Samstag einziehen werden. Fast alle Leinen sind dann neu an Bord.
Freitag Abend gehen wir auf ein gepflegtes Dinner. Wir gehen ins "Edge", einem der schönsten Lokale hier auf St. Lucia. Manfred und Maria kommen auch mit.
Das Edge !
Am Samstag Vormittag unternehmen wir noch eine ausgedehnte Shoppingtour in den Segelzubehörladen und kaufen die letzten Teile für unseren Reparaturtag. Als ich auf das Schiff komme, liegt Operationsbesteck am Cockpittisch. Walter läßt sich seinen Finger verarzten. Er hat sich vor einigen Monaten einen Span eingezogen. Da dürften immer noch kleine Reste verrückt spielen. Walter bekommt von Maria, die ausgebildete Krankenschwester ist einen dicken Verband verpasst. Wenn schon OP´s am Schiff dann richtig. Ich gestehe, dass ich mir einen kleinen Glassplitter im Fuß eingetreten haben. Seit gestern tut das Teil auch schon ein wenig weh. Also "oute" ich mich mit meiner Verletzung und es dauert keine 10 Minuten und ich liege im Cockpit am OP Tisch. Er wird das ganze Programm ausgefahren. Zuerst zarte Versuche mit einer Nadel, doch dann sagt Manfred "Ab jetzt kanns a bisserl weh tun". Ich beiße die Zähne zusammen, richtig auf hart, die Splitter wollen nicht raus. Es müssen härtere Geschütze aufgefahren werden. Manfred bereitet eine echte kleine OP vor. So mit grüner steriler Decke, intensivem Halogenlicht durch Theos Taschenlampe und richtigem OP Besteck. Der Fuß bekommt eine örtliche Betäubung, ich bekomme von Walter einen Schluck Havanna Rum. Manfred sagt, "Schau einfach nicht her", während er schon sein Skalpell in der Hand hat und lächelt. Mir ist gar nicht mehr zum Lächeln zumute. Auuuuuuuuu. Das war die Spritze zur örtlichen Betäubung. Robert ist völlig fasziniert und fotografiert jeden Teil der OP. Dann sind sie Splitter entfernt und ich bekomme von Maria auch einen dicken Verband über den Fuß.
Feld-OP auf der celox² !
Damit ist der Vormittag vorüber und wir gehen wieder in unser Stammbeisl Mittagessen. Wieder 1er Menü. Nachdem wir alle Ersatzteile, bis auf den Starthebel, an Bord haben, lassen wir uns beim Essen Zeit. Auch uns hat schon das karibische Flair angesteckt. Als wir uns dann doch zu den Reparaturen aufraffen, läuft uns der VOLVO Mensch über den Weg. Unter dem Arm unseren Schalthebel. Er bietet an, den Hebel sofort für uns einzubauen. Wir bedanken uns für seine Hilfsbereitschaft und er geht sofort an Werk. Nach 15 Minuten ist alles erledigt, nur die Befestigungsschrauben sind noch festzuziehen. Da die Muttern von Manfred gut versteckt wurden, verließ uns der Mechaniker wieder, ohne Funktionstest. Als Manfred dann an Bord war haben wir die Befestigungsschrauben festgezogen. Funktionstest, "das Wirt mit SCH..." kommt uns aus. Da geht gar nichts. Wir bauen wieder alles aus und prüfen die Funktionsweise des Schalthebels genau. Der Typ hatte den Gaszug mit dem Schaltzug verwechselt. Außerdem hat er den Hebel verkehrt herum eingebaut. So ein Idi...! Wenn mn nicht alles selber macht. Nach weiteren 30 Minuten Einbauarbeit dann der Abschlusstest, perfekt. Alles funktioniert wieder so wie es soll. Befestigungsschrauben anziehen, fertig.
Für die letzten Arbeiten ist wieder Mastartistik gefragt. Manfred wird in den Mast gezogen, um unser gerissenes Großfall neu einzuziehen. Weiters war zu checken, warum die Antenne im Mast abgebrochen war und ob eine Reparatur möglich ist. Eine neue Antenne haben wir vorsichtigerweise schon gekauft. Nach 30 Minuten ist die Arbeit erledigt, wir haben ein neues Großfall und wissen, dass wir die neue Antenne montieren können.
Ohne Wellen ist es fast "easy going" !
Am Sonntag früh werden noch die Dirk, das Spi-Fall und das Genua-Fall erneuert und die Antenne montiert. Diesmal klettert Gerhard wieder in den Mast. Usere celox² ist "fast" wieder wie neu. Einzig den Spibaum Beschlag haben wir in der Kürze nicht auftreiben können. Sonst ist alles wieder perfekt in Schuss.
Damit ist unser Projekt "ARC 20009" offiziell abgeschlossen. Wir sind 2766sm gesegelt. Haben dafür 18 Tage und ein paar zerquetschte Stunden gebraucht. Unsere Durchschnittsgeschwindigkeit lag, trotz unserer Schäden und dem Bremsfallschirm im Propeller bei 6,22kt. Wir haben daher unsere Zielvorgabe von 6kt übertroffen. Dies natürlich Dank eines wirklich außergewöhnlich konstanten Passatwind. Von den die schon öfters dabei waren haben wir erfahren, dass dieses Jahr wettermäßig ein sehr strenges Jahr war. Im Schnitt hatten wir immer zwischen 15-20 kt Wind aus ENE/NE. Der Spitzenwert lag bei 38,5kt, natürlich in der stockfinsteren Nacht. Die schnellste Geschwindikkeit im Surf verbuchten wir mit 13,3kt SOG. Ganz schön schnell für eine Bavaria. Ein anderes Extrem war die Wassertemperatur. Je weiter wir nach Westen kamen, desto wärmer wurde der Atlantik. Der Maximalwert lag bei unglaublichen 30,1 °C.
Für uns alle, so der einstimmige Kommentar aller Crewmitglieder, war dieses "Crossing" eine riesige Erfahrung, an die wir uns lange erinnern werden. Eine Hochschaubahn nicht nur auf dem 2-4m hochen Wellen, sondern auch in der Art wie wir mit den "Problemchen" umgegangen sind. Eine perfekte Teamarbeit. Jeder, egal welche eigene Erwartung jedes einzelnen für den Trip war, hat sich bedingungslos mit dem Ziel unseres Vorhabens identifiziert. Unser sportliches Ziel haben wir leider mit den ganzen Schäden leider nicht erreichen können. Dieser kleine Schatten verliert sich recht schnell in den vielen positiven Erlebnissen die wir an Bord gehabt haben.
Es gäbe so viele Einzelheiten, die es Wert wären aufgezählt zu werden, das würde jedoch hier den Rahmen sprengen. Es soll ja auch noch Platz für "Segler-Latein" mit euren Freunden bleiben.
Es ist geschafft und wir sind stolz darauf !!!!!
Als Abschluss möchte ich noch einige Dankesworte anschließen.
Zuerst an meine Crew, die wirklich perfekt als Team gearbeitet hat. Es war eine Freude mit euch zu segeln. Ich bedanke mich für eure Kameradschaft.
Natürlich auch an alle die uns in der Vorbereitung des Projektes unterstützt haben und mit Rat und Tat zur Verfügung gestanden sind. Norbert Sedlacek, der mir mit seinem Vendee Globe Projekt den Stachel für die Offshore Szene eingepflanzt hat. Andreas Hanakamp, Skipper beim Volvo Ocean Race, der immer ein offenes Ohr für mich hatte und mit guten Tipps zur Stelle war. Das Krankenhaus in Freistadt, mit seinem Chef Prof. Prim. Dr. Fritz Hofer, die uns unsere Gesundheitschecks in perfekter Art und Weise durchgeführt haben. Natürlich auch Fritz Wiltschko, der Robert, Christian und mich im Büro vertreten hat und uns auch dadurch erst die Möglichkeit gegeben hat dieses Projekt zu realisiern. Ein aufrichtiges Danke.
Ohne unsere Sponsoren wäre auch der finanzielle Rahmen des Projekts schwer zum Halten gewesen. Wir bedanken uns sehr herzlich und stehen natürlich jederzeit für diverse Aktionen zur Präsentation unseres Projektes gerne zur Verfügung. Dankeschön.
An euch, die ihr uns mit euren eMails auf unsere Newsletter immer wieder motiviert habt nach vorne zu schauen und unser Ziel nicht aus den Augen zu verlieren, Danke, Danke, Danke !
Den größen Dank wollen wir jedoch an unsere Frauen richten. Für viele war es nicht leicht uns zu diesem Abenteuer aufbrechen zu lassen. Das war auch mit ein Grund warum ich diese ausführliche Art des Newsletters gewählt habe. Ich wollte, dass ihr zumindest per Mail mit uns seid und euch keine Sorgen zu machen braucht. Tausend Dank !
Mein persönlich größter Dank geht an meine Frau Sabine, die mir trotz der Schwangerschaft dieses Projekt ermöglichte. Ich freue mich schon wahnsinnig den kleinen Matthias zum ersten Mal in den Arm nehmen zu können. ICH LIEBE DICH !!!!
Euer Gottfried
P.S: Für mich war dieser Newsletter eine gute Möglichkeit, über den vergangenen Tag noch einmal nachzudenken und ein paar Sätze niederzuschreiben. Ich hoffe es hat euch gefallen und ich habe nicht zu viele Stil- und Rechtschreibfehler gemacht. Birgit, meine Fitnesstrainerin, ist Deutschprofessorin am Linzer Akademischen Gymnasium. Sie wird mir sicher in der nächsten Trainingseinheit meine "Schularbeit" zurückgeben :-). |