Dumia Log 06.12.2021
Montag, 06.12.2021,
23:00 Uhr Alle sind wohlauf. ⎈ Zum Beginn der Woche ein Highlight
vom vergangenen Tag, für Tom der nicht mehr überbietbare Höhepunkt unserer
Reise: Kaum war der Logbucheintrag vom Samstag fertiggestellt und versandt,
ertönte von Deck der Ruf: Fiiisch! Was bei Allen Begeisterung auslöste, war
natürlich ein Schlag in die Magengrube dieses Chronisten, der seinen Lesern
gerade detailliert begründet hatte, warum es im Laufe dieser Reise keinen
fangfrischen Fiiisch! mehr geben würde. Sein hoher Anspruch an eine pedantisch
wahrheitsgetreue Dokumentation des Bordgeschehens und damit seine
Glaubwürdigkeit waren plötzlich in Frage gestellt. Wie konnte es soweit kommen? Während ihr Chronist unter Deck
seinen schweißtreibenden Verpflichtungen nachkam, hatte Tom, offensichtlich im
Benehmen mit dem Skipper, seine letzte Chance genutzt und seine Angeln nochmals
ausgeworfen. Einschub: Dies erfordert bei
nächster sich bietender Gelegenheit ein ernstes Gespräch mit Hans-Peter. Es
kann nicht angehen, dass hier an Bord der Dumia alles nach seiner Pfeife tanzt,
statt nach der ihres Berichterstatters, der ja schließlich für die gesamte
Dramaturgie dieser Reise verantwortlich zeichnet. Aber das nur nebenbei. Es dauerte keine halbe Stunde, bis
die rausrauschenden Angelleinen zwei Bisse vermeldeten. Einem Fang gelang es,
sich loszureißen, der andere wurde nach kurzem Kampf von Tom an Bord geholt. Der
Lebenstraum eines jeden Anglers, einmal einen Tunfisch am Haken zu haben, hatte
sich für Tom erfüllt. Der Triumph sei ihm gegönnt, da er offensichtlich nicht
auf Zufall, sondern einem präzisen Studium des hier anzutreffenden Meeresbodens
und des sich darüber entwickelnden Lebensraums beruhte. Um den Oschi (Zitat
Rolf) dann zu filetieren, bedurfte es neben der zertifizierten Fachkenntnis
Toms noch des lebenslang perfektionierten Geschicks unseres Bordchirurgen,
dessen Anweisungen: „Skalpell bitte!“, „Tupfer bitte!“ oder „absaugen!“ diesmal
jedoch ins Leere liefen. Mit dem kruden Messerbesteck der Bordküche gelang die
Operation trotz widriger Umstände. Nach positiver „Sushiprobe“ durch ihren
Berichterstatter wurde der Fang sofort von Franz-Josef zu „Sashimi an einer
Zwiebel- und Wasabisoße“ sowie zu „Tunasteak medium-rare“ verarbeitet. Wir
schätzten uns alle glücklich, den wohl frischestmöglichen Tunfisch genießen zu
dürfen. Niemand kann uns im Wettbewerb der Sushipuristen jetzt noch das Wasser
reichen. Sorry, Kai-oh-san! ⎈ Ebenfalls gestern hat Franz-Josef
seinen im Kochduell beanspruchten Platz 1 in beeindruckender Manier gegen
seinen Herausforderer verteidigt: Er überraschte die an Bord vor sich hin
dösende Crew just im richtigen Moment mit einem mit karamellisierten
Apfelstückchen gefüllten Pfannkuchen. In der Gesamtwertung liegt er jetzt uneinholbar
vorne. Süß zieht eben immer! ⎈ Damit endlich zum heutigen Montag. Zuhause und
auch hier auf hoher See ist Nikolaustag. Die Seefahrt ist christlich und wir
können entsprechend erwarten, von dem großzügigen Vorboten des Christkinds nicht
übersehen zu werden. Tatsächlich werden wir reich beschert: Der gute Mann kletterte
zwar nicht durch den (nicht vorhandenen) Kamin, aber wahrscheinlich vom himmelnahen
Großmast auf unser Boot und hinterlässt einen Hefezopf, Schokoladelebkuchen (Bruch;
ein wenig billig von ihm) und Lübecker Marzipan. Der Skipper wächst über sich
hinaus und brüht dazu für jedes Crew-Mitglied Kaffee nach individuellen Wünschen.
Wir fühlen uns auf unserer Bordterrasse so heimelig wie im heimischen Wohnzimmer.
Natürlich nicht ganz so heimelig, denn viele von unseren lieben Leserinnen und
Lesern vermissen wir natürlich sehr, auch wenn einige (sicherlich sehr wenige)
von ihnen uns manchmal den Knecht Rupprecht an den Hals wünschten. ⎈ Gegen Abend flaut die Feiertagsstimmung
merklich ab, weil sich am Horizont ein mächtiges Regengebiet – ein Squall –
aufbaut. Wieder bewähren sich die Vorteile einer breit diversifizierten Crew:
Rolf, ehemals Vorzeigepilot der Lufthansa, verfügt über jahrelange Erfahrung in
der Einschätzung und Vermeidung (Umschiffung) derartiger Gefahrenherde. Trotz rauer
werdender See und böigeren Winden gelangen wir sicher, wenn auch
unausgeschlafen durch die kommende Nacht (dies sei hier zur Beruhigung etwaig besorgter
Leser bereits vorweggenommen). So liefert das Szenario vor allem fantastische Bilder, die
in jedem Fotowettbewerb bestehen könnten. ⎈ Reisefortschritt und Wetterbericht
legen derzeit eine Zielankunft am kommenden Donnerstag nahe. Wir planen in St.
Lucia die Ziellinie zu überqueren und dann, ohne festzumachen, nach Martinique
überzusetzen (rund 25 sm). Die Vorbereitungen für unsere Ankunft laufen auf
Hochtouren. Die Insel gehört zu Frankreich und wir gehen von der Anerkennung
des europäischen Impfzertifikats aus. ⎈ Zum Schluss noch ein kurzes Wort
zu den beigefügten Bildern vom Tag und Vortag. Beide geben Anlass zu berechtigtem
Stolz: Einmal wegen des hart erarbeiteten Anglerglücks, zum anderen, weil die
Crew, wie angekündigt, weiterhin treu zu Hans-Peter als ihrer Stil-Ikone steht.
Weiß Gott, was er sich noch alles einfallen lässt, um unsere Loyalität zu
testen. ⎈ Da bleibt nur zu hoffen, dass ihr uns
wiedererkennt, wenn wir demnächst vor der heimischen Haustür stehen. ⎈ Herzliche Nikolaus-Grüße, Eure Crew von der
Dumia ⎈ gw |