13.Tag auf See - Sturmfahrt durch die Nacht

13.Tag auf See - Sturmfahrt
durch die Nacht
Position : 16:05.00N 46:21.00W Datum: 05.12.2009 Uhrzeit: 1200 UTC Kurs: 270 Grad Geschwindigkeit: 7,5 SOG Wind: 27 Knoten Wellen: 2,5 - 3,5 Meter Luftdruck: 1013 hPA
Guten Morgen vom Atlantik,
heute Nacht ging es mal richtig zur Sache. Der Atlantik hat uns seine Zaehne gezeigt. Wir haben nun schon den zweiten Tag ziemlich wechselhaftes Wetter. Das ganze begann noch harmlos als Klaus und ich von 2200 - 0200 Wache geschoben haben. Da haben uns zwei grossflaechige Gewittergebiete ueber 3 Stunden in einer Entfernung von ca. 5 sm querab auf Steuerbord begleitet. Auf unserem Radar kann man den Regen sehr schoen erkennen. Normalerweise ist der Bildschirm schwarz, wenn keine Refelektionen sind. Wenn unser Radar auf Regen trifft, reflektiert dieser und wir bekommen ein sehr schoenes Bild vom Regengebiet. Waerend unserer Wache waren nun diese zwei Gewittergebiete von denen wir zwar Wind (20 - 24 Knoten), aber keine Boeen oder Regen abbekamen sehr gut zu sehen. Das war schon ein besonderes Schauspiel als ca. alle 2 - 3 Sekunden der Himmel durch einen Blitz erhellt wurde. Hochgerechnet auf unsere Wache waren das ca. 4.000 Blitze. Klaus und ich haben noch gescherzt, dass wir dort wirklich nicht drin sein wollen und haben versucht dieses "Unheil" immer schoen auf Abstand zu halten. Das ist uns auch gut gelungen und so konnten wir an Joerg und Thomas einen fast leeren Radarbildschirm zu Ihrer Hundswache (0200 -0600 UTC) uebergeben. Da das ganze schon sehr gruselig ausgesehen hat mit dem pechschwarzen Himmel und den Blitzen, meinte Klaus, dass er sich mit der neuen Wache noch ein bisschen hinsetzt bis sich diese sich an die Situation gewoehnt habt. Ich hab mich auch noch kurz dazugesetzt. Dann ging es eigentlich ziemlich schnell. Prompt zu Wachabloese begann sich der Radarschirm (eingestellt auf 12 Seemeilen Radius ) komplett gelb einzufaerben. Sowas verheisst nichts gutes. Nun sind wir mitten drin und es kann losgehen. Sofort wird begonnen die Genau auf das zweite Reff einzurollen. Um 0245 UTC beginnen die Blitze rund um uns einzuschlagen. Joerg und Thomas kaempfen sich wacker durch den stroemenden Regen. Der Wind nimmt im Laufe der Nacht immer mehr zu. Ab 0300 haben wir konstant 8 Bft ( 35 Knoten) und gegen 0400 haben wir Spitzen von 46,6 Knoten ("Sturm bis Schwerer Sturm"). Joerg und Tom steuern das jedoch souveren! Unsere Genua hat inzwischen Badetuchgroesse und wir laufen vor dem Wind Richtung Sueden ab. Von Joerg (unserem bekennenden Schoenwettersegler) hoere ich in der Pantry aufgrund der starken Windgeraeusche nur einen Spruch der alles uebertoent: "Suuuuuper Urlaub!". Auch Thomas steckt in einer emotionalen Hochphase: "Echt Geil!". Naja, da haben die Leute wirklich unterschiedliche Vorstellungen von echt geil. Mein Ueberlebenspaket ist selbstverstaendlich schon wieder gepackt. Getreu meinem Leitspruch "Es gibt alte Segler und mutige Segler. Aber keine mutigen alten Segler". Ich bin der Zweitaelteste.
(Bild: Unser Radar beginnt sich gelb einzufaerben, wir laufen Richtung Sueden vor dem Wind ab)
(Bild: Sturm auf dem Atlantik. Schaut schlimm aus. Ist auch so)
(Bild: Joerg. Der Gesichtsausdruck verraet alles. Da hat jemand die Schnauze gestrichen voll!)
Schiff und Mannschaft wohlauf! Inzwischen scheint wieder die Sonne! Reger Funkverkehr ueber den Sturm gestern Nacht lasst jedoch vermuten, dass es heute Nacht wieder zur Sache geht. Hoffentlich nicht! Heute haben Klaus und ich die Hundswache von 0200 - 0600 und ich moechte morgen kein Photo veroeffentlichen wo ich gegen sechs Uhr so aussehe wie Joerg oben.
Ralph
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Hallo mein Schatz,
ich weiß das Du zur Zeit mit Deiner "doppelten Schicht" viel um die Ohren hast und möchte Dir an dieser Stelle dafür danken, wie Du alles regelst, zumal alles Neuland für Dich ist. Du machst das echt toll. Ich freue mich Dich bald wieder zu sehen und liebe Dich
Jörg
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Nachtrag zum gestrigen Sturmgeschehen in der Wache 02.00 - 06.00 Uhr (Jörg/Thomas):
Kurz bevor es so richtig los ging, haben Jörg und ich uns gegenseitig gebeichtet, dass unsere bisher höchst durchsegelte Windstärke 7 Beaufort waren, darüber liefen wir immer schön den nächsten Hafen in Kroatien an und haben das ganze aus der nächsten Hafenkneipe beobachtet. So hat uns der Atlantik gelehrt, dass es auch bei 8-9 Beaufort funktioniert. Ich sage da nur noch: Freuet Euch ihr Hämos auf den nächsten Törn im Mai 2010 ...
Nur am Rande: Iris hat am morgen wieder einen fliegenden Fisch "ins Cockpit aufgerissen". Sie scheint zu diesen Tieren eine gewisse ambivalente Affinität zu haben ...
Grüße an die werte Leserschaft (besonders S.+L.+L.)
Matrose Tom, der Sturmbezwinger
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