Dumia Log 06.12.2021

Dumia
Tue 7 Dec 2021 17:33

Montag, 06.12.2021, 23:00 Uhr

 

Alle sind wohlauf.

Zum Beginn der Woche ein Highlight vom vergangenen Tag, für Tom der nicht mehr überbietbare Höhepunkt unserer Reise: Kaum war der Logbucheintrag vom Samstag fertiggestellt und versandt, ertönte von Deck der Ruf: Fiiisch! Was bei Allen Begeisterung auslöste, war natürlich ein Schlag in die Magengrube dieses Chronisten, der seinen Lesern gerade detailliert begründet hatte, warum es im Laufe dieser Reise keinen fangfrischen Fiiisch! mehr geben würde. Sein hoher Anspruch an eine pedantisch wahrheitsgetreue Dokumentation des Bordgeschehens und damit seine Glaubwürdigkeit waren plötzlich in Frage gestellt. Wie konnte es soweit kommen?

Während ihr Chronist unter Deck seinen schweißtreibenden Verpflichtungen nachkam, hatte Tom, offensichtlich im Benehmen mit dem Skipper, seine letzte Chance genutzt und seine Angeln nochmals ausgeworfen.

Einschub: Dies erfordert bei nächster sich bietender Gelegenheit ein ernstes Gespräch mit Hans-Peter. Es kann nicht angehen, dass hier an Bord der Dumia alles nach seiner Pfeife tanzt, statt nach der ihres Berichterstatters, der ja schließlich für die gesamte Dramaturgie dieser Reise verantwortlich zeichnet. Aber das nur nebenbei.

Es dauerte keine halbe Stunde, bis die rausrauschenden Angelleinen zwei Bisse vermeldeten. Einem Fang gelang es, sich loszureißen, der andere wurde nach kurzem Kampf von Tom an Bord geholt. Der Lebenstraum eines jeden Anglers, einmal einen Tunfisch am Haken zu haben, hatte sich für Tom erfüllt. Der Triumph sei ihm gegönnt, da er offensichtlich nicht auf Zufall, sondern einem präzisen Studium des hier anzutreffenden Meeresbodens und des sich darüber entwickelnden Lebensraums beruhte. Um den Oschi (Zitat Rolf) dann zu filetieren, bedurfte es neben der zertifizierten Fachkenntnis Toms noch des lebenslang perfektionierten Geschicks unseres Bordchirurgen, dessen Anweisungen: „Skalpell bitte!“, „Tupfer bitte!“ oder „absaugen!“ diesmal jedoch ins Leere liefen. Mit dem kruden Messerbesteck der Bordküche gelang die Operation trotz widriger Umstände. Nach positiver „Sushiprobe“ durch ihren Berichterstatter wurde der Fang sofort von Franz-Josef zu „Sashimi an einer Zwiebel- und Wasabisoße“ sowie zu „Tunasteak medium-rare“ verarbeitet. Wir schätzten uns alle glücklich, den wohl frischestmöglichen Tunfisch genießen zu dürfen. Niemand kann uns im Wettbewerb der Sushipuristen jetzt noch das Wasser reichen. Sorry, Kai-oh-san!

Ebenfalls gestern hat Franz-Josef seinen im Kochduell beanspruchten Platz 1 in beeindruckender Manier gegen seinen Herausforderer verteidigt: Er überraschte die an Bord vor sich hin dösende Crew just im richtigen Moment mit einem mit karamellisierten Apfelstückchen gefüllten Pfannkuchen. In der Gesamtwertung liegt er jetzt uneinholbar vorne. Süß zieht eben immer!

Damit endlich zum heutigen Montag. Zuhause und auch hier auf hoher See ist Nikolaustag. Die Seefahrt ist christlich und wir können entsprechend erwarten, von dem großzügigen Vorboten des Christkinds nicht übersehen zu werden. Tatsächlich werden wir reich beschert: Der gute Mann kletterte zwar nicht durch den (nicht vorhandenen) Kamin, aber wahrscheinlich vom himmelnahen Großmast auf unser Boot und hinterlässt einen Hefezopf, Schokoladelebkuchen (Bruch; ein wenig billig von ihm) und Lübecker Marzipan. Der Skipper wächst über sich hinaus und brüht dazu für jedes Crew-Mitglied Kaffee nach individuellen Wünschen. Wir fühlen uns auf unserer Bordterrasse so heimelig wie im heimischen Wohnzimmer. Natürlich nicht ganz so heimelig, denn viele von unseren lieben Leserinnen und Lesern vermissen wir natürlich sehr, auch wenn einige (sicherlich sehr wenige) von ihnen uns manchmal den Knecht Rupprecht an den Hals wünschten.

Gegen Abend flaut die Feiertagsstimmung merklich ab, weil sich am Horizont ein mächtiges Regengebiet – ein Squall – aufbaut. Wieder bewähren sich die Vorteile einer breit diversifizierten Crew: Rolf, ehemals Vorzeigepilot der Lufthansa, verfügt über jahrelange Erfahrung in der Einschätzung und Vermeidung (Umschiffung) derartiger Gefahrenherde. Trotz rauer werdender See und böigeren Winden gelangen wir sicher, wenn auch unausgeschlafen durch die kommende Nacht (dies sei hier zur Beruhigung etwaig besorgter Leser bereits vorweggenommen). So liefert das Szenario vor allem fantastische Bilder, die in jedem Fotowettbewerb bestehen könnten.

Reisefortschritt und Wetterbericht legen derzeit eine Zielankunft am kommenden Donnerstag nahe. Wir planen in St. Lucia die Ziellinie zu überqueren und dann, ohne festzumachen, nach Martinique überzusetzen (rund 25 sm). Die Vorbereitungen für unsere Ankunft laufen auf Hochtouren. Die Insel gehört zu Frankreich und wir gehen von der Anerkennung des europäischen Impfzertifikats aus.

Zum Schluss noch ein kurzes Wort zu den beigefügten Bildern vom Tag und Vortag. Beide geben Anlass zu berechtigtem Stolz: Einmal wegen des hart erarbeiteten Anglerglücks, zum anderen, weil die Crew, wie angekündigt, weiterhin treu zu Hans-Peter als ihrer Stil-Ikone steht. Weiß Gott, was er sich noch alles einfallen lässt, um unsere Loyalität zu testen.

Da bleibt nur zu hoffen, dass ihr uns wiedererkennt, wenn wir demnächst vor der heimischen Haustür stehen.

Herzliche Nikolaus-Grüße,

Eure Crew von der Dumia

gw