Essen an Bord, Teil 1
Elmofeil
Wed 8 Jul 2015 14:50
Die letzten Seetage waren recht stürmisch und hielten auch starke Regenschauer für uns bereit. Das Bordleben passt sich diesen Bedingungen an. Diese Umstände brachten mich auf die Idee, den Blick einmal auf das Wichtigste nach dem Segeln zu lenken - Essen, um die Crew auch im stürmischen Umfeld bei Kräften zu halten.
Lassen Sie mich für den geneigten Leser jedoch am Anfang beginnen, der Verproviantierung. Also, wir haben uns zu viert zusammengesetzt, alle vier waren bereits mindestens einmal bei einer ARC über den Atlantik geschippert. So war ein fundiertes Wissen zum Thema Proviant für ca. 3 Wochen sichergestellt, wahrlich die besten Voraussetzungen. Wir erstellten eine lange Einkaufsliste, die anschließend mit den Karl vorliegenden " Menuvorschlägen" abgeglichen wurde. So konnten wir die Einkaufsliste soweit notwendig noch ergänzen. Dann ging es los. Insgesamt haben wir 12 große Einkaufswagen mit Proviant im Wert von ca. 2200 US-Dollar an die Charisma geliefert. Dabei haben wir eine Erfahrung gemacht, die ich gerne weitergeben möchte. Es empfiehlt sich vorab die Getränke zu kaufen, vor allem Wasser für einen 3-Wochen Törn. Nachdem diese verstaut sind, erleichtert dies das anschließende Verstauen des weiteren Proviants, Dingen wie Konserven, Pasta, Reis, Kartoffeln, Gemüse, Obst und Frischfleisch unter der professionellen Aufsicht von Skipper Constantin. Letztendlich fand alles seinem Platz in Backskisten, Schränken und Schubläden. Kartoffeln, Karotten, Zwiebeln, Gemüse und Obst wurden in Kästen unter dem Salontisch oder in Netzen unter der Decke gelagert. Während des Verstauens ist man gut beraten, dass ein Crewmitglied die jeweiligen Lagerorte erfasst und mitschreibt, in welche Ecke was wohin verstaut wird. So ergibt sich nicht nur der Vorteil, dass langes Suchen nach einem Paket Pasta vermieden werden kann, sondern man weiß auch, wo die Sachen liegen, die zuerst verbraucht werden sollten bevor sie vergammeln. Soweit zu den sachlichen Vorbereitungen, die dem einen oder anderen vielleicht bekannt waren. Lassen Sie mich nun den Bogen von der Proviantierung zum Essen an Bord während der vergangenen stürmischen Tage spannen, an denen wir schließlich auch etwas zwischen die Zähne bekommen wollten.
Nachdem sich für die 2 Abende im Sturm die "Profi-Köche" Bernd und Gerd bereit erklärt hatten ein Essen auf den Tisch zu zaubern und den äußeren Bedingungen wie Welle, Krängung des Bootes zu trotzen. Die zwei verständigten sich auf eine Kartoffelsuppe mit Würstchen und einen Kartoffel-Karotten Auflauf mit Speck, Zwiebeln und Eiern. Das Prozedere der Zubereitung muß man sich jetzt wie folgt vorstellen: Es beginnt mit einer 2-3 stündigen Vorbereitung unter den genanten Bedingungen, also Kartoffeln, Karotten, Zwiebeln schälen und stückeln oder in Scheiben schneiden. Dies geschieht in einem Umfeld, in dem vielleicht noch ein Sitzplatz frei ist sowie etwas Platz auf dem Tisch. Alle anderen Ecken und Flecke sind belegt mit nassem Ölzeug, geruchsintensiven Klamotten und anderen Dingen. Das Schneidebrett, Töpfe und Messer auf dem Tisch bewegen sich selbständig im Seegang trotz aller Versuche sie zu sichern, rutschen über den Tisch, fallen einschließlich der zu bearbeitenden Essenssachen zu Boden und..., besonders prickelnd, wenn sich Schneidemesser verselbständigen! Das zweite Crewmitglied, das unbedingt gebraucht wird, fängt gegen Ende der Vorbereitung an, Pött und Pan zu suchen, freifliegende Ölflaschen zu bändigen und den Herd anzufeuern, aber mehr als 2 Töpfe geht nicht, gesichert und kardanisch aufgehängt, ständig in Bewegung. Man sei erinnert: draußen weht es heftig. Der Platzbedarfs in der Kombüse gebietest, dass der Mann am Herd, gewisse akrobatische Fähigkeiten haben muß. Darüberhinaus fehlt ihm meistens die dritte Hand und ein drittes Bein zum Ausbalancieren. Nun versuchen beide das Menü fertigzustellen - anbraten, kochen, braten, stampfen, erwärmen - eine große Herausforderung für ein gemeinschaftliches "Dinner" an einem stürmischen Tag.
Nun zum Verzehr: jeder ist darauf spezialisiert mit nur einem Geschirrartikel - Schale oder Teller - und einem Besteck - wahlweise Löffel oder Gabel - auszukommen. Warum? Es gibt nicht mehr Platz, denn man ist im Stehen im Salon, wenn es regnet oder man sitzt bei Sonnenschein im Cockpit, aber man hat nur 2 Hände! Das Geschirr mit dem Essen wandert also gefüllt vom Koch zum Crewmitglied und nach dem Nachschlag gleicherarte wieder zurück. Die Begrenzung des Geschirrs hat jedoch Vorteile dahingehend, dass weniger abzuwaschen ist. Der Abwasch erfolgt in der Pütz draußen oder bei Regen in der Spüle mit Seewasser. Die Handtücher zum Trocknen sind durch das Salzwasser ständig feucht, aber es geht auch so.
So, nun hoffe ich, dass ich eine Vorstellung davon vermitteln konnte, was bei einer Langfahrt mit Querung des Atlantiks so alles zu leisten ist, damit die Crew für die anspruchsvolle Segelei fit gehalten wird, notwendig ist und auch erschwerend in Kauf zu nehmen ist.
Nun soll mein Bericht aber niemanden abschrecken. Wir haben bisher tolle Gerichte serviert bekommen - Gulasch, Spaghetti Bolognese, Aufläufe, Suppen mit Gemüse. Es hat allen immer gut geschmeckt. So soll mein Bericht auch Ausdruck dafür sein, wie auch erschwerende Bedingungen dazu beitragen, wie toll es ist mit einer Supercrew unter herausfordernden Bedingungen letztendlich Zufriedenheit, Freude am Erreichten und ein bißchen Stolz zu erzeugen. Vielleicht wissen ja unsere Frauen zu Hause, die ich von ganzem Herzen Grüße, gar nicht, welch "verkappte" Köche ihre Männer sind. Hoffentlich merkt das meine Frau nicht!!!
Euch allen herzliche Grüße von Bord der Charisma, ein Gruß an Andrea, die sich stets darum kümmert, dass wir die wichtigen und neuen Informationen bekommen
Euer Bernd
PS: Heute haben wir Bergfest
PS für Eingeweihte: heute gibt es Pssta mit Thunfisch und Champignons gekocht von Salmonellen-Elmo