23. Februar 2019 - Was für ein Land (ausser der Hitz e...)!

Niki.schmidt.warc
Sun 24 Feb 2019 04:51
12:58.300S 038:27.300W
Nach ein paar wunderschönen Wochen in Brasilien, machen wir uns heute Morgen wieder auf den Weg.
Ich war vor 51 und 35 Jahren in Brasilien und jetzt wieder. Das Land macht gerade wieder mal einen ungeheuren Wandel durch. Das erst 6 Monate alte Antikorruptionsgesetz wurde gerade vom neuen Präsidenten zurückgezogen (ultrarechts, verglichen mit dem vorherigen, der ultralinks war), weil es doch nicht so gut sei (der Staat darf jetzt wieder sogenannte 'Nebenkassen' führen). Gleichzeitig hat er ein neues Gesetz erlassen, das der Polizei erlaubt in den Favellas Leute zu erschiessen, wenn ein 'Verdacht auf komisches mentales Verhalten' besteht! Abgesehen davon war es ein unglaublicher Aufenthalt hier in Brasilien. Ein hochinteressantes und gigantisches Sao Paulo, ein wunderschönes und lebensfreudiges Rio und ein sambavibrierendes Salvador - überall mit super gutem Essen, welches man normalerweise mit einem der mehreren hundert verschiedenen 'Cachassas' zu sich nimmt (z.B. als Caipirignia).
Nachdem Karen gestern entteuscht vom Früchtestrassenmarkt zurückkam (weil man ja am Freitag schon um 1200 Schluss macht) mussten wir abends noch in einen Supermarkt einkaufen gehen - und entgegen unseren Erwartungen kamen wir mit unglaublich guten, schönen und noch nicht ganz reifen Früchten aufs Schiff zurück. Wir schwelgen zurzeit in Papayas, Mangos, und Grenadillen.
Unser nächstes Ziel is Cabodelo 500 Meilen nördlicher, auch noch in Brasilien. Von dort werden wir mit dem Bus retour nach Receife an den Carneval fahren. Dann wird Andreas zu uns stossen. Zurzeit sind wir nur zu zweit, Karen und ich - das gibt mehr Grenadillen pro Person, welche sind hier übrigens fast so gross wie kleine Melonen.
Heute morgen haben wir die Leinen gelöst (die Marina war eigentlich gut, ausser, dass das ganze Kanalisationswasser der Stadt Salvador nachts in die Lagune eingeführt wird mit entsprechendem Gestank...). Wir haben seit Afrika fast keinen Diesel verbraucht, gehen aber trotzdem noch kurz zur Tankstelle, welche auf einem schwimmenden Floss montiert ist. Wir füllen nochmals auf, da wir nicht wissen wo wir vor der Karibik tanken können resp. wollen (in Venezuela könnte man für etwa 10 US$ 500 Liter tanken, aber dort wollen wir ja nicht hin, sondern wir werden einen weiten Bogen rund um Salvador machen).
Und dann passierts, ein kleiner Sprung in den Flipp-Flopps (die Turnschuhe sind noch nicht montiert, da wir ja noch nicht segeln....) und meine kleine Zehe schlägt am Niedergang auf.. und steht rechtwinklig nach aussen.... Hmmmm, nachdem ich mich vom ersten Schmerz erholt habe, nehme ich die Zehe und biege sie zurück. Mithilfe einer kleinen Schine aus eine alten Kreditkarte und etwas Bandagen, fixiere ich sie an die zweit- und drittkleinste Zehe. Socken darüber und in den Turnschuh ohne Sohle rein. Ein Ibuprofen einwerfen und so muss es gehen. Nach 10 Minuten sind wir wieder unterwegs. Die Schmerzen hatlten sich in Grenzen.
Nach ca einer Stunde können wir den Motor abstellen. Der Wind hat auf 8 Knoten zugenommen von NE und wir segeln mit einem Schrick in den Leinen am Wind der Küste nach. Ziel wäre es, ca 20 Meilen vor der Küste parallel zur 2000 m Tiefenlinie nach NNE zu fahren, damit wir nachts möglichst keine Fischerboote antreffen.
Da wir in den letzten Wochen etwas zuviel Fleisch gegessen haben, Brasilien ist dafür bekannt, gibt es heute einfach Penne und Tomatensauce. Ein blutroter Sonnenuntergang beendet einen schönen Segeltag.
Der Wind hält nach wie vor und wir segeln in eine wunderbare Nacht hinein. Wellen hat es praktisch keine.
In der Nacht nimmt der Wind etwas zu. Es weht zwischen 10 und 12 Knoten und wir fahren einen Kurs hart am Wind. Der Wind dreht langsam Richtung Osten, was uns immer näher ans Land drückt. Im Moment können wir einen Kurs fast parallel zum Land halten, der Wind dreht aber konstant. Wir sind ca. 25 Meilen von der Küste entfernt, wollen uns ihr aber wegen den Fischerbooten nicht auf weniger als 15-20 Meilen nähern. Der Wetterbericht hat für morgen wieder weniger Wind angesagt, vielleicht sogar Flaute, was wir dann wieder umsetzten könnten in einen NE Kurs unter Motor, d.h. wir könnten wieder etwas Seeweg gutmachen. Im Moment läufts wunderbar. Wir sind mit fast 7 Knoten unterwegs, leider wieder mal mit etwas Gegenströmung, was uns unter dem Strich mit 6 Knoten vorwärts bringt. Wir haben ein Reff im Gross und schieben ziemlich Lage, die Position am Kartentisch ist etwas ungewohnt (meist kommt ja auf der Barfussroute der Wind von hinten...) und eher weniger angenehm. Ich hange im Gurt drin, welcher verhindert, dass ich aus meinem Sitz rutsche. Meine Zehe zwingt mich sehr vorsichtig zu sein wenn ich mich auf und durch die Aranui bewege, denn jeder Druck erzeugt Schmerzen. Ansonsten geht es aber nicht so schlecht, ich verzichte im Moment sogar auf die Schmerzmittel.
Seit langem sind wir nie mehr am Wind gesegelt. Die Genua sieht nicht mehr so gut aus wie am Anfang (das sieht man mit räumlichen Winden nie so genau). Überall dort, wo die Dacronstücke zusammengenäht sind, ist das Segel weniger ausgeblasen (wegen der doppelten Stoffschicht) als an den anderen Orten. Das ergibt also keine flache Oberfläche mehr, sondern kleine Wölbungen in der Genua...
Wir rauschen durch die wunderschöne Mondnacht vor der brasilianischen Küste. Bis jetzt zum Glück: keine Fischerboote in Sicht.