27. Nov. 17 - Tag 9 – Eine Schre ckenssekunde und dann gehts wied er weiter...

Niki.schmidt.warc
Mon 27 Nov 2017 20:12

15:51.615N 029:36.238W

Meine gestrige Nachtschicht fing gleich mit einer Schreckenssekunde an. Es ist 2030, alle sind schlafengegangen und auch Hämpe hat sich noch kurz hingelegt, bevor unsere offizielle Wache beginnt. Ich sitze am Kartentisch und will gerade noch den Blog schicken. Dazu benötige ich die genaue Position, wo wir gerade sind und schaue auf das IPad, welches am Kartentisch installiert ist (es spiegelt die Daten vom Kartenplotter draussen) – MOB AIS SART !!! (Mann über Bord) steht auf dem Display. Die erste Reaktion ist immer, wenn man so was sieht: sind noch alle da von uns – ein blitzschneller physischer Check? – und ja, alle sind am Schlafen resp. am Einschlafen. Das Zweite was man anschaut sind die Koordinaten, die angegeben sind, resp. wo schwimmt dieser MOB; und der schwimmt genau in unserem Kielwasser ca 800 m hinter uns (das sieht man, weil wir einen Track (Strich) auf dem Display hinterlassen, wo wir durchgefahren sind). Sofort öffnen wir (inzwischen sind die meisten wach) alle Schwimmwesten und checken die Sender (jeder hat so einen in der Schwimmweste, der sich automatisch beim ins Wasser fallen aktiviert) aber keiner blinkt. Hmmmmm  - was jetzt – und erst dann sehe ich es: hinter dem MOB AIS SART steht auch noch TEST. Ok, jetzt ist alles klar - da muss irgendwo einer unserer Sender losgegangen sein, vermutlich hat jemand beim Abziehen der Schwimmweste die Weste irgenwie so hingelegt, dass durch die Polsterung hindurch einer der Test-Knöpfe den Sender aktiviert hat. Also Entwarnung.

Da weit und breit kein Schiff herum ist, müssen wir diesen Fehlalarm auch nicht bestätigen. Unser nächster Nachbar ist mehr als 50 Seemeilen weg.

MOB ist vermutlich der schlimmste Trigger oder Supergau auf einem Boot: Falls es trotzdem mal soweit kommen würde, dann gibt es SOPs auf der ARANUI, die niedergeschrieben und überall aufgehängt sind – nicht dass man dann anfängt sich zu fragen, was zu tun ist.

Also alle zurück ins Bett und Hämpe und ich auf die Wache.

Die Nacht ist bewölkt und anders als sonst. Der Wind räumlich und wir zischen die Wellenberge welche von Norden kommen rauf und runter. Es ist ziemlich ruppig zum Segeln. Bald mal nimmt der Wind zu und wir legen zum ersten Mal seit Las Palmas ein Reff ein. Die Aranui läuft etwas ruhiger, aber wie wir dann später in der Koje feststellen werden ist es immer noch sehr ruppig.

Die Nacht verläuft ruhig mit schnellem Segeln. Der Morgen ist etwas komisch. Es sieht aus wie an einem diesigen Novembertag, alles ist nass, bewölkt aber es ist komischerweise schon am Morgen mehr als 25 Grad.

Inzwischen ist es 1300, ich sitze am Kartentisch und schreibe. Draussen öffnet Urs soeben ein Bier, weil ‘Niki ja gesagt hat, wir müssen viel trinken wegen dem Nierenstein’... – flüssiges Brot! Nicht dass ich das wirklich so gemeint habe....

Der heutige Tag ist ziemlich ereignislos, ausser vielleicht, dass uns ein Fisch den grössten Köder einfach wegbeisst. Und wir machen schicken noch eine GoPro (Kamera) entlang der Angelschnur auf Reisen um uns mal von hinten aufzunehmen.

 Der Passat zieht jetzt richtig mit 15-20 Knoten konstantem Wind. Die Windrichtung ist NE, was ein sehr bequemes Segeln unter Genua und einem Reff im Gross erlaubt. Es gibt wenig zu tun ausser mal am Mittag, wo plötzlich der Trimm irgendwie nicht mehr stimmt. Die ‘Kiste’ läuft nicht mehr... Ein Reff kommt rein was weniger Lage und mehr Ausgeglichenheit heisst. Aber trotzdem, irgendwas stimmt nicht. Es gibt so Momente, wo’s kurzzeitig einfach nicht recht weitergeht.

Kurze Zeit später sind wir schon wieder flott untewegs: Wir laufen mit 8-9 Knoten SOG (Speed over Ground) Richtung Karibik. Speed over Ground ist zurzeit relevanter für uns als Bootsgeschwindigkeit, da wir ja wissen wollen, wie wir vorwärts kommen. Der Strom schiebt uns mit 0.5-1 Knoten.

Hämpe und Urs kochen ein Filet Gulasch Stroganoff unter erschwerten Bedingungen. Die Aranui schwankt zwischen 0 und 30Grad, was das kochen zu einem Tanz macht. Es schmeckt vorzüglich und ist fast so gut wie im Casa Tolone – dort wird es eben  noch am Tisch zubereitet.... 😊.

Wenn der Wind so bleibt, bleibt auch die Besegelung so über Nacht.

Wir fahren einen leicht nördlichen Kurs, weil ja der schnellste Weg nicht direkt nach Westen geht, sondern weil die Erdkugel rund ist, auf einem leichten Bogen Richtung Norden. Das hat uns erst noch etwas verwirrt, weil der Kartenplotter automatisch diese Rechnung vorgibt und man eigentlich annehmen könnte, dass man dies explizit in den Parametern eingeben muss (was meine Unwissenheit in diesen Belangen zeigt – ich habe eben noch gelernt mit Karten zu navigieren).

Was meinen Berechnungen etwas einen Streich gespielt hat ist, dass trotz fixer Vorgabe im Autopiloten (der Autopilot bestätigt, dass er einen Kurs von 285 fährt) unsere tatsächliche Richtung nur 275 Grad ist. Der Autopilot fällt bei jeder grossen Welle ab und korrigiert dann wieder nach Norden, aber eben zuwenig. D.h. man fährt trotz Vorgabe von 285 Grad nur etwa 275 Grad. Aber so langsam haben wir all diese Problemchen ausgemärzt und fahren jetzt auf dem optimal kürzesten Weg , nämliche auf einem Bogen, nach St. Lucia.

So wie es aussieht gibt es heute für die Aranui einen neuen Tagesetmal Rekord. Das wird sich aber erst um 0000h bestätigen.

Es beginnt zu dämmern. Die Nacht bricht herein und wir rauschen weiter.