10. Juni – wir queren den Nullmeridian

Niki.schmidt.warc
Sun 11 Jun 2017 10:17

49:38.751N 1:37.220E

10. Juni – wir queren den Nullmeridian

Heute haben wir einen langen Schlag (Strecke) vor uns. Wir möchten von Dieppe nach Cherbourg. Das sind etwa 110 Seemeilen, was etwa 200 km sind, also von Luzern nach Genf der Autobahn nach – nicht ganz so schnell. Das Problem hier oben ist, dass man die richtige Zeit wählt damit man mit dem Strom und nicht gegen den Strom geht – wie im richtigen Leben, meistens einfacher mit dem Strom, aber nicht immer der beste Weg...  Auch bei den Gezeitenströmen kommt es auf den Weg an, weil man manchmal den grössten Gegenströmen ausweichen kann.

 Auf so einem langen Schlag ist es gar nicht möglich immer mit dem Strom zu gehen, da sich dieses faszinierende Gezeitenspiel ca. alle 12 h wiederholt. Wir werden ca 20-25h unterwegs sein, werden also sicher einmal mit und einmal gegen den Strom segeln oder motoren. Man könnte  jetzt sagen, dass sich das ganze ja wieder ausgleicht, aber erstens kommt es immer darauf an, wo man dann gerade ist (stärker oder schwächerer Strom) und zweitens geniesst man es natürlich wenn es so richtig schlürft, wird aber extrem frustriert wenn es dann gegenan geht.

Wir schlafen aus, Frühstück um 7 und zwar nicht nur für uns, sondern auch für den kleinen Kormoran etwa 10 m neben unserem Boot; er hat sich gerade einen Aal gepackt (ca 40cm lang) der sich windet und schlängelt und ums Leben kämpft. Aber da hilft nichts, der Kormoran schluckt! den Aal innerhalb von ca 30 Sekunden und verschlingt ihn lebend, Kopf voran! Ein unglaubliches Schauspiel.

Wir fahren zum Hafen hinaus und fahren erst mal Slalom, weil die Fischer gerade vor dem Hafen draussen alle ihre kleinen Netze gelegt haben und so ein Netz in der Schraube.... (runtertauchen und losschneiden – immer ein sehr mühsames Prozedere). Eigentlich ist Südwind angesagt, davon merken wir aber nicht viel. Es geht also auf direktem Kurs unter Motor Richtung Cherbourg. Irgendwann sieht es dann doch aus, wie wenn der Wind räumlich kommt und wir sezten den Genacker, vor allem zu Ehren von Fabienne meiner Tocher (Farbdesign 😊) die heute Geburtstag hat: Gratulation!

Heute ist der grosse Tag. Unter Seefahrern ist das Queren eines Äquators oder eines Nullmeridians immer eine gross Sache. Der Nullmeridian ist die Basis des internationalen Koordinatensystems und führt durch Greenwich in England (man stelle sich eine virtuelle Linie vom Nord- zum Südpol vor und von dort geht es nur Ost oder West). Heute queren wir den Nullmeridian und feiern dies natürlich (ein Grund mehr zum Feiern, immer willkommen) gebührend. Das ist das letzte mal, dass die ARANUI für 18 Monate den Nullmeridian quert. Das nächste Mal wird es im Januar 2019 im Südatlantik sein.

Roli und Sandra backen kleine wunderbare Schokoladenkuchen, welche sehr schnell wieder verschwinden. Die grosse Frage bleibt, wieviele waren es am Anfang und wo ist Rollis’ Geheimversteck?

Im Moment laufen wir unter Motor zügig mit der Strömung. Sie schiebt uns voran. Wir durchqueren gegen Abend ein Spinnenflugfeld und plötzlich hängen an allen Wanten riesen lange klebrige Spinnfäden. Ein interessantes, etwas gruseliges Schauspiel!

Weit draussen queren ein paar Delphine, aber sie sind nicht interessiert an uns und ziehen weiter. Der heutige Motorentag gibt viel Zeit für Musse oder eben um verlorene Gegenstände zu suchen: Seit ein paar Tagen fehlen 2 Kellen, 1 Schere, eine Spleissnagelschere, ein Torxsatz... etc. Und tätsächlich werden wir fündig hinter/unter den Schubladen. Also abmontieren und rausholen. Die Muttern an den Seeventilen fallen ab und Roli kriecht in alle Kästchen rein und rätscht diese wieder fest. Bis zum Abend fehlt nur noch die kleine Schere...

Langsam wird es Abend und Barbara hat Gulasch gekocht. Nach so vielen Motorenstunden setzen wir fürs Nachtessen die Segel und stoppen den Motor (so eine halbe Stunde dahinzudümpeln können wir uns jetzt leisten – die Ohren brauchen Erholung), und siehe da, sobald der Motor steht, kommt der Wind und plötzlich segeln wir mit 6-7 Knoten fast ohne Lage vorwärts und geniessen das Nachtessen.

Um 2240 wird es dunkel und jetzt nähern wir uns Cherbourg. Noch etwa 25 sm und dann sollten wir dort sein. Jetzt hat auch die Gegenströmung begonnen und zeitweise segeln wir mit 8 Knoten und kommen ‘über Grund’ gemessen nur mit 4 Knoten vorwärts. Das ist dann eben das Frustrierende...

Die letzten Meilen ziehen sich unter schönem Fastvollmond, wir sind müde und die Kälte nagt (ich habe wieder mal 2 Daunenjacken angezogen..., aber etwa morgen um 0200 fahren wir im dunklen Hafen ein – es ist so dunkel, dass wir fast in den dunkelgrünen Ausleger eines Trimarans fahren, der wirklich ungünstig angelegt hat...

Schliesslich finden wir einen Platz am Stegkopf, legen an und feiern die Überfahrt und die Nacht mit Whiskey und Schokolade. So gegen 03h sind wir dann endgültig in den Kojen.

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