5. September 2018 - Das grosse Warten auf den Wind.

Niki.schmidt.warc
Wed 5 Sep 2018 18:21
11:57.300S 126:50.800E

Es ist 2 Uhr morgens und ich sitze am Cockpittisch draussen und schreibe. Es ist etwas kühler heute nacht als gestern und ich trage einen Windbreaker. Eigentlich unglaublich, wenn man bedenkt, wie heiss es gestern tagsüber war. Wir hatten unter dem Bimini bestimmt 40 Grad. Leider habe ich vergessen die Temperatur zu messen, aber es war schlichtweg einfach grausam heiss. Unten am Kartentisch zeigt das Thermometer auch jetzt noch 29 Grad an.

Wir sind am Motoren (immer noch). Es ist jetzt mehr als 24h, seit wir den Brummelbrummel angeworfen haben. Das Geräusch ist wirklich extrem monoton (zum Glück auch, dann läuft er nämlich so wie er sollte). Seit 24 h ist die See spiegelglatt.

Ich wecke Bettina kurz vor 5 und sie sieht schon ganz fit aus für die kurze Nacht und die frühe Morgenstunde. In einer Stunde gibt es einen Sonnenaufgang über einem wolkenfreien Horizont. Die kleine Mondsichel wird uns vermutlich weit in den Tag hineinbegleiten.

Um halb neun bin ich auch wieder wach und dusche erstmal. Bei nur 2 Personen an Bord kann man mit dem Wasser für unsere Verhältnisse fast luxuriös verschwenderisch umgehen, vor allem da wir soviel motoren müssen (dann läuft der Wassermacher ohne die Batterien zu belasten).

Leider scheint meine Toilette nicht richtig zu funktionieren Irgendwie habe ich dieses ganze Toilettenwesen jetzt dann langsam etwas satt.... Diesmal kommt kein Wasser rein beim Pumpen. Also gehe ich erstmals auf die Suche nach der Pumpe. Da sie falsch angeschrieben ist, habe ich nie realisiert, dass dies die Seewasserpumpe ist. Die Pumpe sitzt in einem Schrank und – aha, das ist das Geheimnis – hat einen Filter vorgesetzt. Ich nehme den Filter ab, was blitzschnell geht mit den komfortablen Klickverschlüssen, und der ist tatsächlich im höchsten Grade verstopft. Muss eigentlich, da ich ihn noch nie zu Gesicht bekommen geschweige denn gereinigt habe...

Der Himmel ist blau mit vielen grossen Schönwetterwolken. Ich geniesse es jedes mal, wenn eine Wolke über der Aranui etwas Schatten spendet, dann fällt die gefühlte Temperatur gerade mal um ein paar Grad. Die See ist nach wie vor spiegelglatt und die Windgeschwindigkeit wechselt so von 1 bis max. 2.5 Knoten. Die Farbe des Wassers ist graublausilbrig, es sieht aus wie Quecksilber und bewegt sich auch dementsprechend mit etwa 30 m langen Dünungswellen, ganz leicht auf und ab. Wieder nehme ich mir vor, nachzuschauen, was der gelbe ‘Blütenstaub’ in Wirklichkeit ist, das habe ich nämlich in Darwin vergessen. Baden wäre jetzt schön, als Abkühlung, aber etwa alle 10m schwimmt eine hässliche Qualle vorbei.... also lieber nicht baden. Die Hässlichkeit dieser Quallen übertrifft sogar diejenige, welche ich von vor über 30 Jahren in Schottland noch in Erinnerung habe. Diese waren damals rot/grün/blau und richtig ‘verfotzt’. Diese hier sind dunkelbraun, etwa so gross wie Kokosnüsse und haben dann eine Art Rock angeheftet, welcher aussieht wie vermodertes Moos. Von so einer ‘gestochen’ zu werden ist schon gedanklich abscheulich, geschweige dann die Idee, dass diese Quallen in Australien ja teilweise tödlich sind...

Gegen Mittag werden wir über Funk von einem unsichtbaren Patroullienboot angefunkt. Es scheint hier seit etwa einer Stunde eine generelle Überprüfung zu geben. Der Funk ist ja offen, d.h. wir hören auch Funksprüche zwischen anderen Booten.

Aranui – Aranui – Aranui... this is ‘Australian Maritim Aircraft Control’…. (was immer das für eine Abteilung ist). Diese Herren sitzen irgendwo da draussen in einem Boot. Wir sehen weder auf dem AIS noch auf dem Radar wo sie sind (das AIS ist natürlich ausgeschaltet), aber natürlich sehen sie uns! Dann folgen ein paar Testfragen um sicherzustellen, dass wir Herr und Meister über unser Boot sind und nicht vielleicht ungebetene Gäste an Bord haben (wir befinden uns hier ja im Flüchtlingstransportgebiet von Asien nach Australien). Ich bin wirklich überrascht wie viele Patroullienboote sich hier tummeln, das gibt uns natürlich auch ein Gefühl von Sicherheit, auch wenn wir sie nie zu Gesicht bekommen.

Nachdem wir unseren Namen, den letzten und den nächsten Hafen, sowie unseren Heimathafen angegeben haben, verabschieden sie sich von uns und wünschen uns einen schönen Segeltag – sehr nett meine Herren, dazu braucht es leider Wind.

Es bleibt wie es ist und das Lüftchen weht mit max. 3 Knoten.

Zum Nachtessen gibt es Süsskartoffeln mit Rindfleisch und Aceto Balsamico Gemüse. Und dann gehe ich bald mal ins Bett. Ich muss unbedingt noch kurz mein 400 seitiges Buch fertiglesen. Eigentlich sollte ich Schlafen aber eben, es ist gerade spannend.

Das merke ich eben jetzt wieder um 3 uhr morgens, ich hätte besser sofort schlafen sollen. Ich habe etwas Mühe mich wach zu halten. Kaffee, Vitamintabletten und am Steuer stehen sind die Tricks....

Es ist interessant, man hat das Gefühl hier draussen völlig alleine zu sein. Vis-a-vis von mir, resp. querab zu Aranui sehe ich das rote Backbordlicht der 5 Meilen entfernten Callisto von Peter. Vor uns auch ca 5 Meilen fährt die Blue Pearl. Sonst sind wir alleine. Und dann ab und zu erscheint auf dem Kartenplotter plötzlich wieder so ein kleines Dreieck.... da ist doch noch jemand ausser uns und diesmal ist es die Airpower. Es ist lustig, wie einem einfach das Erscheinen eines kleinen Dreiecks wieder etwas mehr Vertrautheit gibt, dass wir doch nicht ganz so alleine sind hier draussen. Da vermutlich alle in der Flotte am Motoren sind, sind wir alle relativ nahe zusammen. Diese Dreiecke übrigens sind die AIS Signale unserer Boote.