2. März – 3. Tag – Houston, we h ave got a Problem!! – Adrenalins chub pur!

Niki.schmidt.warc
Sat 3 Mar 2018 19:03

03:33.500S 95:44.750W

Die See ist sehr unruhig und wir werden so richtig hin und hergeworfen. Der Wind ist seit Tagen nie über 10 Knoten gestiegen. Ich stehe gerade am Kartentisch, habe meine mails erledigt und sogar meine Abrechnungen bez. Flügen von der vorvorletzten Crew gemacht und frage mich, was ich machen soll. Alles erledigt, in Galapagos noch alle Schrauben, Imbus und alle Muttern nachgezogen -keine Pendenzen mehr...

Ich gehe rauf, schaue in die Segel, zum Bug, betrachte die Wolken und dann bleibt mir der Atem stehen: vorne am Grossbaum, wo dieser am Mast angemacht ist, steht ein Bolzen schräg raus. Erstens darf der nicht rausstehen, und zweitens wenn er schräg ist, dann ist vermutlich schon vieles verbogen... Ich rufe Simone und Steve ins Cockpit, Genua einrollen und Grossegel fallenlassen um Druck vom Beschlag zu nehmen. Damit ist der Grossbaum aber nicht mehr fixiert (vorher durch den Wind) und schwankt hin und her. Also erst den Baum fixieren. Das ist aber einfacher gesagt als getan, da wir ja keinen Druck mehr anbringen dürfen. Eine nähere Betrachtung dieses Querbolzens hat ergeben, dass er noch mit etwa 5mm im Aluminiumprofil drin hängt (10 cm sind raus) – das Profil hingegen steckt schräg im Baumschuh, ein massives Aluminiumteil, welches dann am Mast fixiert ist. Der andere Fixpunkt ist der gefederte Niederholer. Der Baum macht im Moment einen Balanceakt. Also eine Dirk anhängen um den Grossbaum hinten anzuheben. Nicht ganz einfach und im Nachhinein betrachtet hätte ich diese im Luv durchnehmen sollen, da ich eine gewisse Zeit unter dem schwankenden Baum war, in der Hoffnung, dass er mich nicht gerade begraben würde. Diese Dirk legen wir über die BB Winch. Simone bleibt im Cockpit und bedient die Winchen. Langsam anheben – Halt!

Das geht nicht, weil die Dirk den Baum zum Mast zieht. Es wird bald dunkel und wir müssen zumindest den Baum aus dieser höchst labilen Situation in eine stabile Lage bringen für die Nacht. Nach einer Weile haben wir ein komplettes Set an Schoten und Fallen installiert: eine Schot um den Baum vom Mast wegzuziehen, eine Schot um den Baum an den Mast hinzudrücken, ein Fall um den Baum hinten anzuheben und einen Flaschenzug um ihn vorne anzuheben (den müssen wir dann auch durch ein Fall ersetzen, weil die Kraft nicht reicht). Alle diese Schoten und Falle laufen über Winchen (mit diesen kann man fast unendlich viel Kraft ansetzten, von Hand oder mit Motor). Nun müssen wir  den schräg verkeilten ‘Baumschuh’ wieder korrekt in den Baum reinbringen... Die Axt hilft nicht, weder durch Schlagen noch durch Anhebeln. Eine längere Übung, bis ich mich an die zwei Alurohre erinnere, welche ich in Las Palmas vom Steg mitgenommen habe – vielleicht brauchen wir ja mal so was... und tatsächlich, das funktioniert.

Ich sage zu Steve, er soll doch mal von uns ein Photo machen, ‘ wenn wir das schaffen, dann sagen wir uns sicher nachher ‘und wir haben nicht mal ein Photo von uns und das glaubt uns ja gar niemand!’ – der schaut mich aber nur entgeistert an und sagt, ‘das schaffen wir nie! – Retour nach Galapagos!: jetzt schaue ich ihn entgeistert an. Ich glaube wir sind beide ziemlich auf einem Adrenalinkick.

Zurück zum Baum: In Milimeterarbeit auf unser Kommando betätigt Simone die Winchen (ist doch fast wie im Operationssal als Anästesistin oder?). Beim etwa 7. Anlauf schaffen wir es, als Steve im genau richtigen Moment den Baum noch um die fehlenden 10 Grad drehen kann und Loch und Bolzen und Hülse genau in der Flucht sind – und rein damit – und das alles währenddessen es schaukelt und uns fast vom Boot wirft. Yeeeeeeeeeeee!

Der Bolzen ist drin, jetzt noch mit dem Beil durchschlagen und das Gewinde kommt auf der anderen Seite wieder raus. Eigentlich müsste diese Gewinde ausgerissen sein, da die Mutter sich ja gelöst hat (die Mutter kann sich nämlich unmöglich lösen/drehen, da sie mit einem angeschweissten Stahlring durch die immer angespannte Grossschot nach unten gezogen wird. Auch das Gewinde der Mutter scheint in Ordnung zu sein Wir schrauben das ganze zusammen und es scheint zu halten – und just in diesem Moment ist es stockdunkel.

Im Ofen kalt gewordener Stockfisch, Kartoffeln und Rüebli mit Bier – wir essen schweigend und erschöpft und dankbar, dass es geklappt hat. Morgenfrüh muss ich unbedingt die zwei anderen X-Yachten warnen, dass diese Muttern kontrolliert werden müssen und zwar täglich, und ich muss von X-Yacht rausfinden, wieso sich so was überhaupt lösen kann.

Wir setzen nur die Genua, damit wir morgen das ganze bei Licht erst nochmals prüfen können.